Neue Westfälische 28.12.98

Italien bemüht sich weiter um Abschiebung Öcalans

Rom/Ankara (dpa) - Italien bemüht sich weiterhin, den kurdischen Separatisten-Führer Abdullah Öcalan abzuschieben. Italienische Zeitungen meinten am Sonntag, die Abschiebung stehe „unmittelbar bevor“. Als mögliches Zielland wurde Libyen genannt.
Es wurde darauf verwiesen, daß Ex-Staatspräsident Francesco Cossiga jüngst zu Gesprächen nach Tripolis gereist ist.
Allerdings wies die römische Polizei am Samstag Spekulationen zurück, der Chef der kurdischen Arbeiterpartei PKK sei bereits unter strengster Geheimhaltung außer Landes gebracht worden. Zugleich hatte der Papst in seiner Weihnachtsansprache ausdrücklich Kurden unter den Gläubigen auf dem Petersplatz begrüßt.
Gerüchte über eine Ausweisung Öcalans hatten Italien über Weihnachten in Atem gehalten. Das Haus Öcalans in Ostia vor den Toren Roms wird Tag und Nacht von Journalisten umlagert. Beobachter erwarten, daß Öcalan in einer Nacht- und Nebelaktion per Flugzeug außer Landes gebracht wird.
Allerdings haben bereits zahlreiche Staaten abgesagt, Öcalan aufzunehmen. So seien aus skandinavischen und anderen europäischen Ländern Absagen gekommen. Zeitweise hieß es, die italienische Regierung verhandele mit Balten-Staaten und Rußland. Öcalan war am 12. November aus Moskau in Italien eingereist. Auch Libyen habe bereits bei einer ersten Bitte vor Wochen abgelehnt, hieß es.
Nachdem Deutschland trotz eines Haftbefehls wegen Mordes auf eine Auslieferung verzichtet hatte, hatte Ministerpräsident Massimo D’Alema in der vergangenen Woche erstmals offen eine Abschiebung angedeutet. In Kreisen um Öcalan hieß es, wahrscheinlich werde er noch vor Neujahr ausgewiesen.
Die Suche nach einem Aufnahmeland wird durch die Forderung Öcalans nach Sicherheitsgarantien erschwert. Er fürchtet in einem anderen Land Anschläge auf sein Leben. Außerdem will er sicher sein, daß er von dort aus nicht später doch an die Türkei ausgeliefert wird.
Die Türkei macht ihn für 30 000 Tote in 15 Jahren Terrorismus im Zuge des Kurden-Krieges verantwortlich. Der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel plädierte am Samstag gegen die Abschaffung der Todesstrafe. „Bei so vielen Opfern, die der Terrorismus gefordert hat, kann die Todesstrafe nicht abgeschafft werden. Dazu sind Staat und Gesellschaft noch nicht bereit.“ Die Regierung in Rom lehnt die von Ankara geforderte Auslieferung ab, weil in der Türkei die Todesstrafe besteht.
Der Rechtsvertreter der türkischen Regierung in Rom verlangte, Öcalan vorerst nicht in ein Drittland ausreisen zu lassen. Zuerst müsse in Italien über den türkischen Auslieferungsantrag entschieden werden. Die römische Justiz will darüber im Januar beraten.