blue window, 7. Dezember 1998

Tansu Ciller übt Kritik an Staatspräsident Demirel
(sda/rk)   Die konservative türkische Oppositionspolitikerin Tansu Ciller hat in Ankara die Koalitionsangebote des mit der Regierungsbildung beauftragten amtierenden Vize-Regierungschefs Bülent Ecevit abgelehnt.
Ciller sagte nach dem einstündigen Gespräch mit Ecevit, sie sei dagegen, dass ihre Partei des Rechten Weges DYP zur „Stütze“ oder zum „Flickmaterial“ der durch ein Misstrauensvotum gestürzten Regierung werde. Die endgültige Entscheidung der Führungsgremien ihrer Partei werde sie Ecevit bis Donnerstag mitteilen.
Ciller forderte eine „Koalition des nationalen Konsens auf breiter Basis“ unter Beteiligung zumindest der fünf Parteien mit einer Fraktion im Parlament. Grundsätzlich sei sie nicht gegen den Auftrag an Ecevit.
Kritik an Demirel
Ciller kritisierte aber Staatspräsident Süleyman Demirel. Er habe im Widerspruch zur Parlaments-Arithmetik und „demokratischen Bräuchen“ den Vorsitzenden der viertstärksten Partei mit der Bildung der 56.  Regierung der Türkei beauftragt.
Ciller sagte, der amtierende Ministerpräsident Mesut Yilmaz sei „nicht aus politischen Gründen“ gestürzt worden. Vielmehr sei die Koalition zwischen seiner Mutterlandspartei Anap mit Ecevits Demokratischer Linkspartei DSP und der kleinen konservativen Demokratischen Türkei-Partei DTP wegen „Seilschaften und Verbindungen zur Mafia“ gestürzt worden. „Deshalb stehen wir in der historischen Verantwortung, eine solche Regierung nicht als Stütze zu retten“, fügte Ciller hinzu.
Ecevit hatte zuvor gesagt, dass er als eine „realistische Lösung“ eine Koalition seiner DSP mit der DYP und der Anap befürworte. Eine solche Koalition würde mit 296 Sitzen über eine komfortable Mehrheit im Parlament mit 550 Sitzen verfügen und vor den vorzeitigen Wahlen am 18. April innen- und aussenpolitische Probleme entschlossen in die Hand nehmen.
Ecevit würde Rechtskoalition unterstützen
Ecevit sagte weiter, er habe Ciller auch angeboten, im Falle einer Rechtskoalition zwischen der DYP und der Anap würde diese von seiner DSP unterstützt.
Der erste Versuch einer Rechtskoalition war im Frühjahr 1996 am Kompetenzgerangel zwischen Ciller und Yilmaz sowie an deren Anspruch auf die Führungsrolle rechts vom politischen Zentrum gescheitert.