dpa
Meldung vom 07.12.1998 11:32

Öcalan greift Deutschland an - «Waffen für Unterdrückung geliefert»
Rom (dpa) - Der in Rom festgenommene kurdische Separatistenführer Abdullah Öcalan hat in einem Interview scharfe Kritik an Bonn geübt. Deutschland habe der Türkei Waffen für die Unterdrückung der Kurden geliefert, sagte der 49jährige der italienischen Zeitung «La Stampa» (Montagausgabe).
Öcalan bekräftigte seine Bereitschaft, vor einem internationalen Gericht zu erscheinen. Gleichzeitig müsse aber eine politische Lösung für die Kurden gefunden werden.
Mit ihm, Öcalan, müsse sich auch Ankara verantworten. «Aber nicht nur die Türkei. Es müssen auch ihre Verbündeten verfolgt werden, die ihr Waffen für die Unterdrückung
geliefert haben. Allen voran Deutschland.»
«In Kurdistan wird Krieg geführt, und die Türken haben 4 000 Dörfer zerstört, zwischen 8 000 und 10 000 Menschen massakriert», sagte Öcalan. «Warum nicht auch ihnen den Prozeß machen, und Deutschland, das ihnen geholfen hat?» Dagegen wirft die Türkei dem Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor, für 30 000 Tote in 14 Jahren Terrorismus gegen Ankara verantwortlich zu sein. Als Land für einen Prozeß nannte Öcalan Österreich, das noch den EU- Ratsvorsitz führt.
Auf die Frage, ob er eine Auslieferung an Deutschland gefürchtet habe, sagte Öcalan: «Wenn das geschehen wäre, dann hätte in Deutschland alles passieren können. Mehr als 50 Menschen hätten sich selbst angezündet, Hunderte waren zum Hungerstreik bereit.»
Als mögliches Zielland bei einer Abschiebung aus Italien nannte Öcalan auch Iran. Er steht noch bis zum 22. Dezember unter Aufsicht in Rom, darf die Stadt nicht verlassen.  Öcalan war am 12. November nach seiner Ankunft mit einer Maschine aus Moskau in Rom festgenommen worden.