Süddeutsche Zeitung 07.12.98

Fischer weist Beers Überlegungen zurück
Gegen Aufhebung des PKK-Verbots
„Die Organisation muß dem Terrorismus abschwören“

Hamburg (dpa/AP) – Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) lehnt eine Aufhebung des Verbots der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in Deutschland ab. Der Welt am Sonntag sagte er :
„Die Bundesregierung hält am Verbot der PKK fest. Über alles andere kann man erst reden, wenn die PKK zweifelsfrei die Waffen niederlegt und dem Terrorismus abschwört und sich Herr Öcalan einem rechtsstaatlichen Gericht stellt“. Der Minister reagierte damit auf Überlegungen der verteidigungspolitischen Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, die sich für eine Aufhebung des PKK-Verbots ausgesprochen hatte.
In Frankfurt und Hamburg demonstrierten am Wochenende mehrere tausend Türken für eine Auslieferung Abdullah Öcalans. Der kurdische Separatistenführer wird derzeit in Italien festgehalten. Die deutschen Behörden haben auf die Auslieferung Öcalans verzichtet. Gegen ihn liegt unter anderem ein deutscher Haftbefehl aus dem Jahr 1990 vor.
Der frühere Bundesinnenminister Manfred Kanther kritisierte die rot-grüne Bundesregierung wegen des Falls Öcalan. Es sei ein „katastrophaler“ Fehler, daß der PKK-Chef nicht in Deutschland vor Gericht gestellt werde, sagte der CDU-Politiker der Welt am Sonntag. Die Bonner Entscheidung, keinen Auslieferungsantrag zu stellen, nannte Kanther „voreilig“. Nach Ansicht von Bremens Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) hat die Bundesregierung im Fall Öcalan „rechtsstaatliche Prinzipien schlicht politischen Überlegungen geopfert“. Es könne aber nicht im deutschen Interesse liegen, daß „aufgrund in Deutschland lebender ethnischer Minderheiten auf die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien verzichten werden muß, weil wir sonst befürchten, Gewalt auf deutschen Straßen zu haben“, sagte Borttscheller der Deutschen Presseagentur.
Inzwischen hat Öcalan dem ZDF zufolge seine Bereitschaft erklärt, jederzeit vor einem internationalen Tribunal zu erscheinen. Dieses Tribunal solle feststellen, „ob wir oder die türkische Regierung an der Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen Schuld sind, deren Folge zigtausende Tote auf beiden Seiten sind“, erklärte der PKK-Führer nach Angaben des Senders in einer im ZDF verlesenen Stellungnahme