Stuttgarter Zeitung 17.11.98
Selbstmordversuch in Gefängniszelle
Ein 26 Jahre alter Untersuchungsgefangener hat gestern morgen in Stammheim versucht, sich das Leben zu nehmen.  Der Kurde zündete seine Kleider an, wurde aber mit leichten Brandverletzungen gerettet.
Von Klaus Wagner
Der 26jährige sitzt seit Oktober 1997 in Stammheim in Untersuchungshaft, er wurde wegen Suizidgefahr vor einiger Zeit in eine Gemeinschaftszelle verlegt. Am Montag morgen gegen 6.10 Uhr griff der Mann, laut Gefängnisdirektor Maximilian Schumacher Mitglied der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, zum Feuerzeug und zündete seine Kleider an. ¸¸Die drei Mitgefangenen haben sofort eingegriffen und die Bediensteten alarmiert’’, berichtete der Anstaltsleiter.  Der 26jährige habe durch das Selbstanzünden gegen die Lage der Kurden demonstrieren wollen. Er habe wohl damit gerechnet, gerettet zu werden. Die Zellentüren wären Augenblicke später sowieso zur Frühstücksausgabe geöffnet worden. Der Mann erlitt leichtere Brandverletzungen, er wurde vom Notarzt behandelt und kam in ein Krankenhaus.
Lebensgefahr bestehe nicht, hieß es. Ob der
Selbstmordversuch im Zusammenhang mit den Protesten der Kurden vom Wochenende steht, ist nicht bekannt.
Wie berichtet, hat sich bereits am 1.November ein 23jähriger Kurde in Stammheim die Kleider angezündet. Der Mann, er wird ebenfalls der PKK zugerechnet, lag in einer Einzelzelle.  Mitgefangene hatten Alarm geschlagen. Der 23jährige hatte an jenem Sonntag lebensgefährlichen Brandverletzungen erlitten, er wurde mit dem Rettungshubschrauber in ein Spezialkrankenhaus gebracht. Dieser Mann sei zur Abschiebung in einer Einzelzelle untergebracht gewesen, sagte Schumacher, weil es bei ihm keine Anzeichen für eine Selbstmordabsicht gegeben habe.