Dolomiten Online 16.11.98

Stop am Brenner für 400 Kurden
Weißes Kreuz verteilt 600 Brote, Tee und Nudelsuppe - 70 Illegale abgeschoben

Bozen/Brenner (rc) - 400 Kurden wurden von der Polizei von Sonntag nacht bis zum Nachmittag am Brenner aus Sicherheitsgründen festgehalten. Zivilschutz und Weißes Kreuz hatten alle Hände voll zu tun, um die frierenden und hungrigen Menschen zu versorgen, die auf dem Weg zu einer Kundgebung nach Rom waren. Im Zuge der Kontrollen
gingen der Polizei auch 70 Illegale ins Netz.
Polizeiangaben zufolge kamen die meisten der Kurden aus Deutschland, Belgien und Holland. Sie waren auf dem Weg nach Rom, um an einer Kundgebung für PKK-Chef Abdullah Öcalan teilzunehmen. Der 49jährige Anführer der verbotenen separatistischen Arbeiterpartei Kurdistans war am Freitag verhaftet worden (wir berichteten) und wird derzeit unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Militärhospital Celio festgehalten. Um möglichen Tumulten vorzubeugen, hatte Innenministerin Rosa Russo Jervolino verfügt, daß die Kurden nur in kleinen Gruppen nach Italien einreisen dürften. Dies hatte zur Folge, daß rund 400 Personen - größtenteils Männer - stundenlang am Brenner festsaßen.
Gegen 3.30 Uhr alarmierte die Polizei den Zivilschutz und bat um Hilfe bei der Versorgung der frierenden und hungrigen Menschen. Zu den Minusgraden war in der Nacht auch Schneefall gekommen. Es dauerte aber noch etwa zwei Stunden, bis sich die Helfer in Bewegung setzen konnten. Laut Zivilschutzexperte Günther Walcher habe es sich nämlich um ein Sicherheitsproblem gehandelt, wofür eigentlich das italienische Heer zuständig sei. Erst gegen 5 Uhr erhielten die Verantwortlichen des Zivilschutzes ihren offiziellen Auftrag vom Regierungskommissariat: Der Einsatz konnte beginnen.
Von Sterzing aus startete der Betreuungszug des Weißen Kreuzes, beladen mit Lebensmitteln und Decken. 600 belegte Brote und literweise heißer Tee wurden im Laufe des Vormittags an die Wartenden ausgegeben. „Gegen Mittag haben wir dann vor Ort eine Nudelsuppe gekocht, weil uns die Brote ausgegangen sind“, erzählt Walcher.
Laut Stefan Masetti, Verantwortlicher des WK-Betreuungszuges, herrschte bei der Essensausgabe eine ruhige und höfliche Atmosphäre. „Reibereien hat es glücklicherweise keine gegeben.“
Die Polizei war im Dauereinsatz. Obwohl die meisten der Kurden über reguläre Aufenthaltsgenehmigungen in ihren Herkunftsländern und gültige Einreisedokumente verfügten, gingen den Behörden doch auch schwarze Schafe ins Netz. Insgesamt 70 Illegale wurden nach Angaben der Tiroler Sicherheitsdirektion bis zum Nachmittag über Österreich nach Deutschland abgeschoben. Unter den Festgenommenen waren auch 20 Personen, die zusammengepfercht in einem Lieferwagen versteckt waren.
Gegen 14.30 Uhr warteten gestern noch ungefähr 35 Autos am Grenzübergang. Die Polizei genehmigte im 30-Minuten- Takt jeweils einer kleinen Gruppe von Personenwagen die Weiterfahrt in Richtung Süden. Um 16 Uhr war die Hilfsaktion der rund 40 Helfer von Zivilschutz und Weißem Kreuz beendet.