junge Welt    26.10.1998

       Neuer, alter Kurs gegen die Kurden
       Demos in Hamburg, Hannover und Berlin von Polizeigewalt geprägt

       Mehrere tausend Menschen demonstrierten am Samstag in der BRD gegen die Bedrohung Syriens durch die Türkei. Die Regierung in Ankara hatte
       in den vergangenen Wochen Syrien massiv unter Druck gesetzt, den Vorsitzenden der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, den sie in
       Damaskus vermuteten, an die Türkei auszuliefern und der PKK künftig jede Unterstützung zu verweigern. Anderenfalls drohte die Türkei
       militärische Maßnahmen an. Kurdische und türkische Organisationen riefen am Samstag in Berlin, Hamburg und Hannover zu Protestkundgebungen
       auf. In allen drei Städten kam es zu Festnahmen während oder nach der Kundgebung: 20 Menschen wurden in Berlin verhaftet und etwa 70
       Personen in Hannover, nachdem die Uniformierten mit Schlagstöcken gegen die Demonstrierenden vorgegangen waren. In Hamburg wurden
       mindestens drei Kurden nach Ende der Kundgebung auf dem Nachhauseweg festgenommen. Die Polizei kontrollierte auswärtige Fahrzeuge.
       Personen, die sich nicht ausweisen konnten, wurden in Handschellen auf Polizeiwachen gebracht, wo sie in Einzelzellen festgehalten wurden, bis ihre
       Identität zweifelsfrei festgestellt war.

       »An den Polizeieinsätzen in allen Kundgebungsorten wird deutlich, daß sich auch unter einer rot-grünen Regierung, mit einem Otto Schily als
       Innenminister, die Haltung gegenüber den kurdischen Organisationen und dem PKK-Verbot nicht verändern wird«, kommentierte die Hamburger
       Veranstaltungsleiterin Christiane Schneider gegenüber junge Welt das Vorgehen der Staatsgewalt. »An diesem Wochenende hat die neue
       Bundesregierung ihren Kurs gegen die Kurden festgelegt.«

       Birgit Gärtner, Hamburg