Rot-grüne Doppelmoral
Waffenlieferungen an die Türkei gehen weiter. Kommentar

Es ist leider schon ein Normalzustand, daß regelmäßig Fotos von deutschen Panzern und anderem Kriegsgerät im Einsatz gegen die kurdische Bevölkerung um die Welt gehen. Handelte es sich zunächst um überschüssiges Material aus den Restbeständen der abgewickelten NVA, so sind inzwischen auch die ersten Adressen unter den deutschen Rüstungsschmieden wie Daimler-Benz und MAN unter den Lieferanten. Für die militärischen Drohgebärden des NATO- Verbündeten Türkei gegen Syrien ist das Beste vom Besten gerade gut genug. Es gab einmal eine Zeit, in der Sozialdemokraten und Grüne Seit an Seit für ein Verbot von Rüstungsexporten in den »Folterstaat Türkei« stritten. Diese demagogische Epoche endete exakt am 27. September dieses Jahres, denn nun ist man Regierung und hat, nach kurzer Einweisung durch William Clinton, inzwischen schriftlich fixiert, alle Bündnisverpflichtungen in der NATO penibel einzuhalten. Und zu denen gehört nun mal auch die Lieferung von Kriegsgerät an das Regime an der strategisch wichtigen Südostflanke der NATO. Wenn es also demnächst um die nächsten Bewilligungen geht, wird der verteidigungspolitischen Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, abermals nicht der Arm während der Zustimmung abfallen, womit sie ja seit ihrer ersten Stimmabgabe für einen deutschen Kriegseinsatz in Bosnien 1995 kokettiert. Angesichts der bedenkenlosen Unterstützung der türkischen Kurdenschlächter wirkt der Einsatz »für die Rettung der Menschenrechte« im Kosovo noch zynischer, als er ohnehin schon ist. Von der SPD ist man in punkto Militarismus seit 1914 ja nichts anderes gewöhnt. So war gerade der »Friedensfreund« Willy Brandt in der heute so oft verklärten sozial-liberalen Ära der Bundesrepublik der glühendste Unterstützer des Aggressions-und Vernichtungskrieges der US-amerikanischen NATO- Verbündeten in Vietnam. Von der Seite war also nichts anderes zu erwarten. Doch für die Grünen kann’s noch eng werden. In der Regierung haben sie in allen die NATO betreffenden Fragen nichts zu melden. Die mehrheitliche Unterstützung für deutsche Bomben auf Jugoslawien dürfte schon einiges an Kredit bei den Gegnern des deutschen Militarismus gekostet haben.
Doch bei der trotz aller Solidaritätsdemagogie deutlich sichtbaren, wenn auch stillschweigenden Unterstützung des Terrors gegen die kurdische Bevölkerung platzt vielleicht noch ein paar mehr Menschen in Deutschland endgültig der Kragen.

Rainer Balcerowiak - jW 23.10.98