Neue Zürcher Zeitung , 31.10.1998
Luftpirat in Ankara erschossen
 
Maschine gestürmt - Kurdischer Entführer
Ankara, 30. Okt. (ap) Ein Luftpirat, der am 75. Jahrestag der türkischen Staatsgründung auf den Krieg gegen die Kurden aufmerksam machen wollte, ist am Freitag morgen auf dem Flughafen von Ankara erschossen worden. Eine Sondereinheit der Polizei stürmte die Boeing 737 der Turkish Airlines sieben Stunden nach Beginn der Entführung. «Der Terrorist bekam, was er verdiente», sagte Innenminister Kutlu Aktas vor Journalisten. Es sei ihm nicht gelungen, den Tag der Republik mit Blut zu besudeln. Von den 38 Passagieren und der sechsköpfigen Besatzung wurde niemand verletzt. Der Entführer hatte die Maschine am Donnerstag abend auf dem Flug von Adana nach Ankara in seine Gewalt gebracht. Er war mit einer Handgranate und einer Schusswaffe bewaffnet. Gegenüber den Passagieren legte er sein politisches Motiv offen. Der Mann verlangte, nach Lausanne geflogen zu werden.

    In der Schweizer Stadt war 1923 der Vertrag unterzeichnet worden, der einen eigenen Staat für die Kurden unmöglich machte. Zunächst war den Kurden nach dem Ersten Weltkrieg im Zuge der Aufteilung des Osmanischen Reiches ein unabhängiger Staat versprochen worden. Der Pilot landete aber planmässig in Ankara. Dem Luftpiraten wurde vorgegaukelt, die Maschine müsse auftanken und dies sei der Flughafen von Sofia. Dazu wurden alle Lichter gelöscht. Auch aus der nahegelegenen Moschee durfte nicht zum Abendgebet gerufen werden, wie ein privater Fernsehsender berichtete.

    Der Entführer hielt sich offenbar nur im Cockpit auf, da es der Polizei gelang, alle Passagiere aus dem Flugzeug zu bringen. Dann stürmte die Antiterroreinheit das Cockpit. Der Entführer wurde von mindestens vier Kugeln getroffen. Es war die dritte Flugzeugentführung in der Türkei in diesem Jahr. Dieselbe Maschine war in der vergangenen Woche in Strassburg von Demonstranten, die die Abschiebung eines Kurden verhindern wollten, am Start gehindert worden. Militante Kurden kämpfen seit 1984 gegen die Regierung in Ankara. Bisher sind dabei fast 37 000 Menschen ums Leben gekommen.