Main Post, 02.10.1998 - Gemünden

Traugott Wiesinger zum Thema: „Kirchenasyl“

„Da braucht man viel Unterstützung“

Wenn Ausländer einen negativen Bescheid auf ihren Asylantrag erhalten und mit der Abschiebung in ihr Heimatland rechnen müssen, wenden sie sich nicht selten an die Kirche. Auch der evangelische Pfarrer der Christusgemeinde in Gemünden, Traugott Wiesinger, weiß das. Vor etwa eineinhalb Jahren hatte sich Zerah, die Tochter des damals zur Abschiebung anstehenden Kurden Mehmet Demir (wir berichteten in unsrer gestrigen Ausgabe), an ihn gewandt.
„Zehra wollte mit ihrer Familie Kirchenasyl, aber ich konnte es nicht gewähren, da wir in Gemünden die Voraussetzungen nicht haben“, erzählt der Geistliche. Er sei als Pfarrer da alleine gestanden, um aber wirklich zu helfen, hätte es einer Mannschaft, die hinter ihm gestanden hätte, bedurft.  In der Kurzfristigkeit der Entscheidungsfindung - Zehra kam erst drei Tage vor Ablauf der Frist zu ihm - war eine Durchsetzung nicht möglich.  „Als Einzelner schaffe ich das nicht, da braucht man Unterstützung durch einige Personen.“ Beim Kirchenasyl handelt es sich (rechtlich) um widerrechtliches Handeln gegen bestehende Gesetze, die letztendlich „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ zur Folge haben könnten, wie Wiesinger erläutert. Es könne jedoch gewährt werden, wenn Menschen an Leib und Leben bedroht sind und um Schutz in einem Raum der Kirche suchen. „Wenn wir ein Gemeindezentrum gehabt hätten, dann wäre das möglich gewesen“, sagt er und führt fort, daß die fehlenden sanitären Anlagen, Wasser und Strom letztendlich die von ihm anvisierte Hilfsmaßnahme scheitern ließen. Um Kirchenasyl gewähren zu können, müssen Unterkunftsmöglichkeiten in Form von ein bis zwei Räumen sowie Teeküche, Toiletten, Waschbecken vorhanden sein.
Das Kirchenasyl wird in einigen bundesdeutschen Ländern gewährt. In Bayern ist es nicht üblich. Da das Asylrecht wiederum in Länderhoheit liegt, ist ein Wechsel in ein anderes Bundesland für Asylbewerber, die Kirchenasyl wahrnehmen wollten, nicht möglich.