Süddeutsche Zeitung 01.10.98

Gesetz könnte Bill Clinton zum Sturz des irakischen Diktators verpflichten
US-Kongreß will Entmachtung Saddam Husseins finanzieren
Vorstoß der Republikaner zur Unterstützung von Oppositionsgruppen stößt auch bei Demokraten auf Zustimmung

Washington (dpa/Reuters/AP) – Abgeordnete der Republikanischen Partei im US-Kongreß wollen Finanzmittel einsetzen, um den Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein herbeizuführen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf legte der Ausschußvorsitzende für internationale Beziehungen, Ben Gilman, im Parlament vor. Danach sollen umgerechnet knapp 170 Millionen Mark zur Unterstützung von irakischen Oppositionsgruppen bereitgestellt werden, die aktiv eine Entmachtung Saddams betreiben.
Im Senat ging die Initiative unter dem Titel „Iraq Liberation Act“ (Gesetz zur Befreiung Iraks) vom republikanischen Mehrheitsführer Trent Lott aus, der von mehreren demokratischen Kollegen unterstützt wird. Lott sagte, es sei an der Zeit, offen von der politischen zur militärischen Unterstützung der Saddam-Gegner überzugehen, damit Saddam aus dem Amt entfernt werde. Das Gesetz würde die USA offiziell zum Sturz des irakischen Regimes verpflichten. Die Regierung von US-Präsident Bill Clinton hat sich bislang nicht zu einem solchen Schritt bereitgefunden. Eine Stellungnahme war vom Weißen Haus zunächst nicht zu erhalten. Lott und der Ausschußvorsitzende Gilman gehören zu den schärfsten Kritikern Bill Clintons, dem sie eine zu lasche Gangart gegenüber dem Irak vorwerfen.
Im Abgeordnetenhaus erhoffen sich die Republikaner ebenfalls Zustimmung von zahlreichen Demokraten.  In Lotts Gesetzentwurf wird auch die Schaffung eines internationalen Kriegsverbrechertribunals unter dem Dach der Vereinten Nationen gefordert, um Saddam und anderen irakischen Führern den Prozeß zu machen. Zur Begründung wird unter anderem auf die Verfolgung und Ermordung von Zehntausenden Kurden verwiesen. Über die Verteilung der Gelder an bestimmte Oppositionsgruppen soll der Vorlage zufolge die Regierung selbst entscheiden. Zwei Millionen Dollar sollen für die Ausstrahlung von Radioprogrammen in den Irak ausgegeben werden.
Nach einem Bericht der Washington Post vom Mittwoch könnte der Irak dem Ziel, Atommacht zu werden, erheblich näher sein als bisher angenommen.  Demnach soll Bagdad die Entwicklung von drei oder vier atomaren Sprengkörpern von je 20 Kilotonnen Stärke gelungen sein. Gelänge Bagdad die Beschaffung des Nuklearkerns aus angereichertem Uran, sei der Bau der Bombe eine Frage von Tagen oder Wochen, so berichten von der Zeitung befragte unabhängige Experten.
Der Generalstab der amerikanischen Streitkräfte warnte in Washington bei einer Anhörung vor dem Kongreß, die Armee trage Zeichen „ernster Abnutzung“. Die Einsatzbereitschaft sei angespannt und der langfristig gute Zustand der Truppen in Gefahr, sagte General Henry Shelton. Vor allem der Nachschub und die Modernisierung litten unter Geldmangel. Nach Angaben des Generalstabs sind die US-Streitkräfte aber jederzeit einsatzbereit.