junge Welt 22.09.1998

       5 000 Tamilen droht Abschiebung
       Abschlußkongreß der Flüchtlingskarawane kündigt heißen Sommer '99 an

       Am Sonntag nahmen mehr als 200 Menschen am Abschlußkongreß der »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen« in Köln teil.
       »Was uns, Kurden, Afrikaner, Tamilen und alle anderen Teilnehmer verbindet, ist die Kultur der Freiheit und des Widerstands«, leitete ein Sprecher
       des Internationalen Menschenrechtsvereins IMRV aus Bremen die Sitzung ein. »Abschiebungen sind eine der stärksten Waffen unserer Gegner, die
       damit unsere individuelle Existenz zerstören«, faßte Aki Mohammadi, Karawaneteilnehmer, seine Eindrücke zusammen. Deshalb müßten
       »schützende Strukturen für alle von Abschiebungen Betroffenen« geschaffen werden.

       Iman Kaya, Vertreter der »Föderation für demokratische Rechte in Deutschland«, warnte davor, das Problem des Rassismus auf
       Neonazi-Gruppen zu beschränken. »Flüchtlinge leiden vor allem unter dem staatlichen und von vielen Parteien geschürten Rassismus.« Ein Sprecher
       des französischen Flüchtlingsnetzwerks »Sans Papiers« erklärte, daß »Deutschland Vorreiter bei der Ablehnung von Asylgründen« sei.

       Neben Vertretern kurdischer und afrikanischer Organisationen sprachen vor allem tamilische Flüchtlinge über den zunehmenden Druck, den
       Behörden und Politiker in Deutschland ausüben. Von 60 000 in Deutschland lebenden Tamilen seien 5 000 akut von Abschiebung bedroht, obwohl
       ihnen bei ihrer Ankunft auf Sri Lanka Inhaftierung, Folter und Tod drohen, erklärte ein Sprecher der Tamilen. Deutsche Behörden bezeichnen
       Colombo, die Hauptstadt auf Sri Lanka, als sicheren Ort für Tamilen. Doch auch dort seien allein 1997 mehr als 1 200 tamilische Zivilisten
       festgenommen worden.

       »The Voice«, eine Flüchtlingsorganisation aus Thüringen, die sich aus verschiedenen afrikanischen Mitgliedern zusammensetzt, hat den Kampf gegen
       die Isolation von Asylbewerbern in Auffanglagern ins Zentrum ihrer Aktivitäten gestellt. Als exemplarisches Beispiel für die Grausamkeit solcher
       Lager berichteten sie aus Tambach- Dietharz in Thüringen, wo Flüchtlinge überlagerte Lebensmittel zu sich nehmen müßten. Obwohl Ärzte attestiert
       hätten, daß dies bereits zu Gesundheitsschäden geführt hätte, würde die Versorgung mit dieser Art von »Sachleistungen« weiter fortgesetzt.

       »Rassistische Politik setzt an den schwächsten Gliedern der Gesellschaft an«, erklärte ein Sprecher der »Sans Papiers« aus Frankreich. »Bevor wir
       jedoch von Widerstand sprechen, müssen wir uns sichtbar machen«, meinte der Vertreter der »Sans Papiers« und forderte die Konferenzteilnehmer
       auf, nie zu akzeptieren, »versteckt leben zu müssen«.

       Für das nächste Jahr kündigte ein Sprecher des IMRV »einen langen, heißen Sommer gegen Rassismus an«. Im Hinblick auf die zu erwartenden
       Massenabschiebungen von Tamilen nach Sri Lanka und Kurden in die Türkei empfahl ein Redner, die Karawanestrukturen zu nutzen, um das
       Kölner Modell des Wanderkirchenasyls auch auf andere Regionen der Bundesrepublik auszuweiten.

       Gerhard Klas