junge Welt 21.09.1998

       Flüchtlingskarawane in Köln beendet
       Organisatoren planen europaweite Aktionen im nächsten Frühjahr

       »Die Stimmung gegen Flüchtlinge und Migranten hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren verschärft«, lautet das Resümee der Teilnehmer
       an der »Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migranten«, die seit Mitte August durch 44 Städte der Bundesrepublik gezogen ist.

       Auf der Abschlußkundgebung betonte Adnan Keskin vom »Kölner Appell gegen Rassismus« vor 2 500 Zuhörern, daß »Rassismus nicht nur ein
       Problem der Flüchtlinge und Migranten, sondern der ganzen Gesellschaft« sei. Deshalb seien alle aufgefordert, für »Demokratie und die Würde der
       Menschen« einzutreten. Dazu gehörten auch die vollen Bürgerrechte für Migranten, die schon seit Jahrzehnten hier lebten, erklärte Keskin den
       Zuhörern auf dem verregneten Platz zu Füßen des Kölner Doms. Die rigide Ausländer- und Asylpolitik, die auch dann nicht von Abschiebungen
       absehe, wenn den Betroffenen im Zielland Folter, Gefängnis oder sogar Tod drohen, lasse vielen keine andere Wahl, als in die Illegalität
       abzutauchen. »Knapp fünfzig Jahre nach der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention ist das Recht auf Asyl in Deutschland faktisch
       abgeschafft«, so die Erklärung der Karawane.

       John Stewart, Gast der britischen Flüchtlingsorganisation NCADC, verdeutlichte die europäische Dimension dieser Ausländerpolitik. Asylbewerber
       sollen nun auch in Großbritannien lediglich Sachleistungen zum Lebensunterhalt bekommen. »Die Hoffnungen der Flüchtlinge auf den
       Regierungswechsel sind der harten Realität unter New Labour gewichen«, so Stewart. Allein die jährliche Abschieberate habe sich um mehr als 20
       Prozent erhöht.

       Eva Schaaf, Sprecherin von »Kein Mensch ist illegal«, ging auf die Erfolge der Kampagne in Nordrhein-Westfalen ein. Dort sei es gelungen, seit
       Januar mit dem Wanderkirchenasyl die Abschiebung von mehreren hundert kurdischen Flüchtlingen zu verhindern. Zur Zeit befänden sich 240 von
       ihnen in insgesamt 50 evangelischen und katholischen Gemeinden. In Zukunft sei es wichtig, sich »mit sozialen Bewegungen zu vernetzen, die den
       antirassistischen Konsens tragen«.

       Auf einen konkreten Anlaß, die Vernetzung anzugehen, verwies ein Sprecher des bundesweiten Treffens zur Vorbereitung des »Gipfelsommers
       99«. Im Juni des kommenden Jahres finden innerhalb von zwei Wochen sowohl der EU-Gipfel als auch der Weltwirtschaftsgipfel in Köln statt.
       Flüchtlinge und Migranten wurden aufgefordert, sich an den Vorbereitungen zu beteiligen, denn »nächsten Sommer gibt es die Gelegenheit, unseren
       Freunden und Feinden zu zeigen, wie viele wir sind«.

       Gerhard Klas