Hamburger Abendblatt 18.9.98
Eva Juhnke kämpfte für Kurden-PKK: 15 JahreGefängnis!
Die Rebellin aus Hamburg Hartes Urteil in der Türkei schockt ihre Großmutter: „Ich werde sie nie wiedersehen“

Von MARLIES FISCHER

Hamburg/Ankara - Die Hamburgerin Eva Juhnke ist wegen aktiver Mitgliedschaft in der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.
Das für schwere politische Straftaten zuständige Staatssicherheitsgericht in der osttürkischen Stadt Van befand die 33jährige gestern für schuldig, der PKK seit 1983 anzugehören. Juhnke ist damit die erste Bundesbürgerin, die in der Türkei eine Haftstrafe verbüßen muß, und die erste westliche Ausländerin, die als PKK-Kämpferin in ein türkisches Gefängnis muß. Das Gericht ließ eine Revision zu.
Die Hamburgerin war bei Gefechten im Herbst 1997 im Norden Iraks von einer mit Ankara verbündeten Kurdentruppe gefangengenommen und an die türkische Armee übergeben worden.
                      Frau Juhnke, die im Gefängnis von Mus
einsitzt, und ihre Anwälte blieben der Urteilsverkündung fern. „Eva hat sich geweigert, weil sie das Gericht nicht als Instanz anerkennt“, sagte Angelica Williams, Prozeßbeobachterin der Organisation Prison Watch International, dem Hamburger Abendblatt. „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat vor kurzem festgestellt, daß türkische Staatssicherheitsgerichte per se kein Recht sprechen.“
Auch die deutsche Delegation mit Eva Juhnkes Mutter Doris, die schon seit mehreren Tagen in der Türkei ist, kam nicht zum Prozeß. „Sie wollten dem Gericht keine Bühne bieten“, so Frau Williams. Der Staatsanwalt habe noch mehrere Stunden auf die Angeklagte gewartet, sie aber nicht zwangsvorgeführt.
Eva Juhnke schloß sich damit einem Boykott der Staatssicherheitsgerichte durch politische Häftlinge in der Türkei an. Die Hamburgerin hatte sich im Prozeßverlauf zu den Zielen der PKK - der Errichtung eines eigenen Kurdenstaates - bekannt. Zudem klagte sie über Mißhandlungen in der Untersuchungshaft. Unter anderem wurde sie gegen ihren Willen einem Jungfräulichkeitstest unterzogen (das Abendblatt berichtete). „Eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Ankara hat den Prozeß verfolgt und ist nach der Urteilsverkündung ins 250 Kilometer entfernte Mus gefahren, um Eva Juhnke den Urteilsspruch mitzuteilen“, sagte Angelica Williams. Das Auswärtige Amt bestätigte, daß die Botschaftsangehörige die Hamburgerin auch weiter betreuen werde.
Eva Juhnke lebt seit Mai 1993 als PKK-Kämpferin in Kurdistan. Nach Auskunft des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz gibt es Filmaufnahmen, die sie mit PKK-Chef Abdullah Öcalan zeigen. 1982 hatte sich die Altenpflegerin zum erstenmal in Deutschland politisch engagiert und Kontakt zu Kurden aufgenommen, als die türkischen Behörden die ersten Massenverhaftungen von Kurden vornahmen. Juhnke nahm an Demonstrationen und Seminaren teil. Außerdem heiratete sie einen Kurden, der noch in Hamburg lebt, aber mittlerweile von ihr geschieden ist.
„Ich kann mir gar nicht vorstellen, wieder in Deutschland zu sein“, sagte sie 1993 in einem PKK-Ausbildungslager gegenüber der Zeitung „Die Woche“. Einzige mögliche Ausnahme sei, wenn die Partei sie in ihrer Heimat brauche. „Aber ich hoffe, daß das nicht der Fall sein wird.“
Eva Juhnkes Hamburger Großmutter Edith Heinerici reagierte gestern geschockt auf das Urteil. „15 Jahre - dann werde ich Eva nicht wiedersehen! Ich bin schließlich schon 87 Jahre alt“, sagte sie dem Abendblatt. Aber sie könne den Einsatz ihrer Enkelin gegen Gewalt und Menschenrechtsverletzungen verstehen. „Ich habe mich im Dritten Reich auch gegen die Nazis engagiert, und mein Mann wurde mehrfach verhaftet.“
Juhnkes Bruder Jan hatte das harte Urteil erwartet. „Meine Schwester wird seelisch und körperlich Schaden nehmen“, sagte er. „Sie wird im Gefängnis nicht klein beigeben, und deshalb glaube ich auch nicht, daß man ihr vielleicht Haftverkürzung gewährt. Einen Hungerstreik hat Eva schon hinter sich, ob sie den nächsten überlebt, ist fraglich.“