junge Welt 18.09.1998

       15 Jahre Haft für Deutsche in der Türkei
       Angeklagte boykottierte die Verhandlung

Das Staatssicherheitsgericht in der türkischen Stadt Van hat die Hamburgerin Eva Juhnke am Donnerstag wegen Mitgliedschaft in der Kurdischen Arbeiterpartei PKK zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt. Juhnke selbst und ihre Anwälte blieben der Verhandlung fern. Sie begründeten ihren Boykott mit der Aussage des Europäischen Gerichtshofes, daß in türkischen Staatsschutzprozessen keine unabhängige Rechtsprechung stattfände. Bei der Verhandlung waren außer dem Gericht und der Staatsanwaltschaft lediglich Vertreter von prison watch international (pwi) und der Deutschen Botschaft sowie einige Journalisten zugegen. Eva Juhnke wurde im vergangenen Herbst von türkischen Soldaten gefangengenommen. Während das Militär behauptete, die 34jährige am 16. Oktober vergangenen Jahres bei Hakkari auf türkischem Boden festgenommen zu haben, gibt die Betroffene selbst an, sie sei am 5. oder 6. Oktober im Nordirak während der Operation »Morgenröte« von türkischen Spezialeinheiten verhaftet worden. Somit wäre das Verfahren völkerrechtswidrig. Das Auswärtige Amt hält sich in dieser Frage allerdings bedeckt, da Aussage gegen Aussage stünde.
»Drei Wochen lang erfolgten tage- und nächtelange Verhöre in Hakkari und Diyarbakir,« so die pwi-Vertreterin Heidi Lippmann-Kasten, die Juhnke mehrfach im Gefängnis besucht hat. Bei den Vernehmungen sei der Gefangenen immer wieder angedroht worden, sie verschwinden zu lassen und zu töten. »Stundenlang mußte sie mit verbundenen Augen und gefesselten Händen in ihrer Zelle stehen, Tag und Nacht brannte Licht.«
Die meiste Zeit ihrer fast einjährigen Untersuchungshaft war Juhnke im Gefängnis von Mus isoliert von den übrigen Gefangenen untergebracht. Aus Protest gegen die Haftbedingungen beteiligte sie sich an einem 42 Tage dauernden Hungerstreik. Bei den insgesamt zehn Verhandlungsterminen, die mit einer Ausnahme nur wenige Minuten dauerten, wurde die Angeklagte immer wieder am Verlesen ihrer Verteidigungsrede gehindert. Gleichzeitig hat das Gericht Anzeigen von Juhnkes Anwalt und des türkischen Menschenrechtsvereins IHD wegen unmenschlicher Behandlung und sexueller Folter zurückgewiesen. Journalisten ist mehrfach der Zutritt zum Gerichtsgebäude verwehrt, einem Kameramann, der die Angeklagte filmen wollte, sind mehrere Finger gebrochen worden.
Reimar Paul