taz berlin 4.9.98

    Güllü Selcuk spricht über Verhaftung in der Türkei

    Der Unterstützerin der "Samstagsmütter" war nach
    Haft und Verurteilung Flucht gelungen

    Die im Juli 1997 auf dem Flughafen in Istanbul
    festgenommene türkischstämmige Berlinerin Güllü
    Selcuk wird heute abend auf einer Veranstaltung
    der PDS über ihre Verhaftung berichten. Im Mai
    dieses Jahres war Selcuk von einem Istanbuler
    Gericht wegen "Unterstützung einer illegalen
    Organsisation" zu drei Jahren und neun Monaten
    Haft verurteilt worden (taz berichtete). Da sie
    Revision gegen das Urteil eingelegte, wurde sie
    freigelassen, durfte die Türkei jedoch nicht
    verlassen. Dennoch gelang ihr wenig später die
    Flucht. Über die Berufung wurde bis heute nicht
    entschieden.

    Die türkischen Behörden werfen Selcuk die
    Zusammenarbeit mit den "Samstagsmüttern" vor,
    einer Organisation, die seit Mai 1995 jeden
    Samstag gegen das Verschwindenlassen von
    politischen Gegnern demonstriert. Im Gepäck der
    Türkin mit deutschem Paß hatten die
    Sicherheitsbeamten Fotos von Demonstrationen der
    Samstagsmütter gefunden. Die Mutter von zwei
    Kindern wollte mit diesen Fotos ein Ausstellung in
    Berlin organisieren. Statt dessen erlitt sie
    zunächst das Schicksal derer, für die sie sich
    einsetzte. Während der Verhöre wurde sie mit
    Stiefeln getreten und ihr Kopf gegen eine Wand
    geknallt. Gegen den Rat ihres Verteidigers hat
    Selcuk Anzeige gegen ihre Mißhandler erstattet.

    Nach Angaben der türkischen
    Menschenrechtsvereinigung IDH hatte die Polizei in
    Istanbul am vergangenen Samstag ungefähr hundert
    Menschen auf einer Demonstration der
    Samstagsmütter festgenommen. Auf der heutigen
    Veranstaltung wird neben Selcuk auch Karin
    Hopfmann (PDS) über deutsche Abschiebeknäste
    sprechen. Außerdem werden Gedächtnisprotokolle
    verfolgter Frauen aus der Türkei und Kurdistan
    vorgetragen.

    Elke Eckert