Rheinische Post Online, 04.05.2002

Diplomatischer Erfolg Ankaras

PKK und türkische Linksextremisten auf EU-"Terror"-Liste

Istanbul (rpo). Auf der Liste der Europäischen Union zur Bekämpfung von Terrororganisationen tauchen jetzt auch die kurdische Arbeiterpartei (PKK) und die türkischen Linksextremisten der DHKP-C auf. In der Türkei wird dieser Schritt begrüßt.

Keine Fahne hat die Türkei in den vergangenen Tagen mehr erregt, als die mit gelbem Stern auf rotem Grund, die vom Balkon der Brüsseler "Vertretung" der türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) wehte.

Dass sie jetzt eingeholt wurde, bejubelten türkische Zeitungen am Freitag als erste Auswirkung der von der Europäischen Union nach den Anschlägen vom 11. September erstellten und nunmehr erweiterten Liste zur Bekämpfung von Terrororganisationen. "Die Fahne liegt am Boden, die Mörder sind auf der Liste", frohlockte das Massenblatt "Hürriyet". Die linksnationale "Cumhuriyet" schrieb: "Europa hört auf, ein sicherer Hafen für Terroristen zu sein."

Langer Guerilla-Krieg

Seit langem hatte die türkische Regierung die EU gedrängt, nicht nur die kurdische Arbeiterpartei (PKK), die unter ihrem zum Tode verurteilten Führer Abdullah Öcalan 15 Jahre lang einen blutigen Guerilla-Krieg für ein unabhängiges Kurdistan geführt hatte, sondern auch die Linksextremisten der DHKP-C offiziell als Terrororganisation einzustufen. Die seit 1998 auch in Deutschland verbotene Gruppe ist maßgeblich an den Hungerstreiks in türkischen Gefängnissen beteiligt, die bereits 50 Menschen das Leben gekostet haben.

Die Aktivitäten der rund 1.000 Anhänger der DHKP-C in Deutschland konzentrieren sich laut Verfassungsschutzbericht auf Unterstützungsaktionen für die vor zweieinhalb Jahren in Belgien festgenommene Fehriye Erdal, der bei einer Auslieferung in die Türkei wegen eines Mordanschlags 1995 in der Sabanci-Konzernzentrale in Istanbul die Todesstrafe droht. Auch dem angeblich in Europa untergetauchten DHKP-C-Chef Dursun Karatas dürfte die neue EU- Terrorliste "Kopfzerbrechen bereiten", schrieb die Zeitung "Milliyet". Doch solange sich die Türkei nicht durchringen kann, die Todesstrafe auch für terroristische Verbrechen abzuschaffen, wird kein EU-Land die von Ankara Gesuchten ausliefern.

Türkei an der Reihe

Nach dem diplomatischen Erfolg Ankaras, "seine" Terroristen nunmehr auch von der EU als solche eingestuft zu sehen, ist jetzt der EU-Kandidat Türkei am Zuge, die für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen unabdingbaren politischen Reformen zügig in Angriff zu nehmen. Noch bevor die neue Terrorliste im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurde, rief Ministerpräsident Bülent Ecevit am Donnerstagabend seinen Außenminister und seine Koalitionspartner zu sich, um über den weiteren EU-Fahrplan Ankaras zu beraten. Erklärtes Ziel der Türkei ist es, noch vor Ende dieses Jahres einen Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen zu bekommen.

"Wir haben ein ernstes Zeitproblem", räumte der stellvertretende Regierungschef Mesut Yilmaz am Freitag in einem Interview der Nachrichtenagentur Anadolu ein. Um den Zug der EU-Erweiterung nicht zu verpassen, müsse Ankara "mutiger und schneller" handeln. Als vordringliche Reformen nannte er neben der Abschaffung der seit 1984 in der Türkei nicht mehr vollzogenen Todesstrafe eine friedliche Lösung des Zypernproblems sowie die Zulassung von Radio und Fernsehen in Kurdisch und muttersprachlichen Unterricht in den Schulen. Selbst wenn die EU Ende des Jahres in Verhandlungen einwillige, wäre eine Mitgliedschaft frühestens für 2007 ins Auge zu fassen, meinte Yilmaz.