Nordwest Zeitung, 04.04.2002

Gericht: Es gibt kein "Kirchenasyl"

Katholischer Pfarrer muss eine Geldstrafe zahlen - OLG Oldenburg verwirft Revision

Schon Amts- und Landgericht hatten den Pfarrer verurteilt. Er hatte einer kurdischen Familie in seiner Kirche Unterschlupf gewährt.

rr Oldenburg/Papenburg/Osnabrück. Ein Pfarrer, der "Kirchenasyl" gewährt, kann sich nicht auf einen Gewissenskonflikt als Rechtfertigungsgrund berufen. Diese Argumentation des Landgerichts Osnabrück in einem Verfahren gegen einen katholischen Pfarrer aus Papenburg, der einer türkischen Familie kurdischer Herkunft 14 Monate lang "Kirchenasyl" gewährt hatte, ist auch vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg übernommen worden. Der erste Strafsenat verwarf die von dem Pfarrer eingelegte Revision als "offensichtlich unbegründet" und bestätigte dessen Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz. Er muss eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zahlen (Az SS 52/02).

Der Pfarrer hatte die neunköpfige Familie in den Räumen seiner Kirche aufgenommen, um ihre Abschiebung zu verhindern. Die Familie war erstmals 1992 in die Bundesrepublik eingereist. Nachdem ihre Asylanträge rechtskräftig abgelehnt worden waren, setzte sie sich 1997 in die Niederlande ab, von wo sie 1998 dann erneut einreiste und erfolglos das inzwischen dritte Asylverfahren betrieb. Der für den 10. November 1998 vorgesehenen Abschiebung entzog sich das Ehepaar, das zwischenzeitlich sieben Kinder hatte, indem es mit Billigung des Pfarrers Quartier in den sakralen Kirchenräumen bezog. Die Ausländerbehörde sah wegen des Aufenthaltes in der Kirche davon ab, die Ausreise zwangsweise durchzusetzen.

Vom Amtsgericht Papenburg war der Pfarrer wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu einer Geldstrafe unter Bewährungsvorbehalt verurteilt worden. Dagegen legten die Staatsanwaltschaft und auch der Verurteilte Berufung ein. Der Pfarrer berief sich auf seine Glaubens- und Gewissensfreiheit und Christenpflicht, bedrängten Familien Beistand zu leisten.

Das Landgericht Osnabrück folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Es verschärfte auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin sogar das Urteil zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen ohne Vorbehalt. Eine verbindliche Entscheidung darüber, ob die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, Asyl zu gewähren oder nicht, obliege den zuständigen staatlichen Behörden, ein "Kirchenasyl" als Rechtfertigungsgrund gebe es nicht, heißt es in dem Beschluss. Vom Gesetz abweichende Vorstellungen von Asyl und Einwanderung könnten nicht in der Weise durchgesetzt werden, "dass kurzerhand die Funktion von Gesetzgeber, Gericht und Exekutive übernimmt, wer meint, die allein richtige Sicht der Dinge zu haben und durchsetzen zu müssen".

Die gegen dieses Entscheidung eingelegte Revision des Pfarrers verwarf nun das OLG Oldenburg. Das Urteil des Landgerichts ist damit rechtskräftig. "Enttäuscht" über den Beschluss zeigte sich das Bistum Osnabrück, das die Haltung des Pfarrers unterstützt hatte. Der Pfarrer will mit der Kommission für Migrationsfragen der Deutschen Bischofskonferenz über das weitere Vorgehen beraten. Die Entscheidung des OLG könnte nur durch eine Verfassungsbeschwerde und ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aufgehoben werden.