Özgür Politika, 28.02.2002

Keine Rektoren - DGM-Staatsanwälte!

MHA / ANKARA

Der Interuniversitäre Ausschuss, eine Einrichtung des Exekutivausschusses des Hochschulrates (YÖK), wertet die Forderung nach Kurdischunterricht als "eine Verlängerung der Politisierungsbemühungen der PKK und Ersatzhandlung für Mord- und Terroraktionen" und droht damit, die Disziplinarstrafen gegen Studierende, die diese Forderung per Gesuch aufstellen, "in aller Entschlossenheit" anzuwenden.

Der Ausschussvorsitzende, Prof.Dr. Riza Ayhan, hat die Abschlusserklärung der Ausschussitzung vom 19. Februar in Mersin veröffentlicht. Darin heisst es, die am 20. September 2001 begonnene Kampagne für kurdisches Lehren und Lernen werde "von der PKK organisiert" und die Organisation werde von "Nachbarländern, die die Nachbarschaftsprinzipien verletzen, unterstützt".

Weiter werden die UnterstützerInnen der Kampagne als eine "Verbrechergruppe, die nicht die kurdischstämmigen Bürger vertritt," beschuldigt. Die PKK wende unter dem Namen "Politisierung" eine neue Strategie an und habe in diesem Rahmen die Muttersprachenkampagne eingeleitet. "In keinem internationalen Abkommen oder Dokument existiert ein Artikel, der dem Staat auferlegt, jedem in der von ihm gewünschten Sprache Unterricht zu gewährleisten. (...) Der Beginn einer solchen Kampagne bedeutet Missbrauch des Petitionsrechtes und darüber hinaus eine Ersatzhandlung für Mord und Terror."

Bei den sich an der Kampagne beteiligenden Studierenden handele es sich um "die Verlängerung der PKK an den Universitäten. Diejenigen, die trotz der Darstellung dieser Tatsache an ihrer Haltung festhalten, können nicht anders betrachtet werden, als der verlängerte Arm der Mörderbande an den Universitäten. Allen sollte bewusst sein, dass gegen diese mit aller Entschlossenheit die in der Diszipinarverordnung festgelegten Strafen angewendet werden. Jede Art von Initiative und Denken, die einem Abrücken von den Prinzipien des Laizismus, der Rechts- und Chancengleichheit und der Spracheinheit gleichkommen, wird die türkischen Universitäten gegen sich haben."

Beschwerde gegen Gürüz

Gegen den YÖK-Vorsitzenden Kemal Gürüz ist beim Vali Beschwerde eingelegt worden, weil er nach der Berufung von Prof.Dr. Fikri Canoruc zum Rektor der Dicle-Universität in Diyarbakir die Einsetzung des Lehrkörpers behindert und ein Ambargo aufgestellt hat. Wie der stellvertretende Rektor Prof.Dr. Zülküf Gülsüm mitteilte, genehmige der YÖK von der Dicle-Universität geplante Projekte nicht. Aus diesem Grund sei vom Vali Hilfe angefordert worden. "Unsere Projekte werden vom YÖK nicht genehmigt und ans Nationale Erziehungsministerium weitergeleitet. Aus diesem Grund gibt es Schwierigkeiten. (...)" Knapp 160 Mitglieder des Lehrkörpers hatten vor einer Weile einen Prozess gegen den YÖK aufgrund von vom YÖK ausgesprochenen Strafen gegen sie angestrengt. (...) Der Streit zwischen dem YÖK und der Dicle-Universität hatte begonnen, nachdem Canoruclu von Gürüz als "PKK-Sympathisant" bezeichnet worden war.

30 Studierende der Universität verwiesen

30 Studierende, die einen Antrag auf die Einführung von Kurdisch-Unterricht gestellt haben, sind der Istanbul-Universität verwiesen worden. 38 weitere wurden für zwei Semester relegiert.

Nach dem YÖK-Gesetz werden die dreissig Studierenden niemals wieder an einer Universität aufgenommen werden. Das gleiche gilt auch für alle anderen Lehranstalten, die dem YÖK unterstehen. (...) Damit ist den Studierende jegliches Recht auf Ausbildung entzogen worden.

Die Studierenden haben angekündigt, auf gesetzlichem Weg gegen den Beschluss der Universitätsleitung vorzugehen. In einer Erklärung der Plattform für demokratischen Kampf wird der "Angriff auf die Forderung nach muttersprachlichem Unterricht, die ein menschliches Recht darstellt", verurteilt und die Anerkennung dieses Rechtes gefordert. Ausserdem wird die Freilassung der Erziehungsberechtigten gefordert, die vor kurzem vor der Nationalen Erziehungsbehörde festgenommen worden sind. Die betroffenen Studierenden selbst bewerten den Beschluss als ungesetzlich. Um ihr Recht auf Ausbildung wiederzuerlangen, wollen sie jeden juristischen Weg gehen. Zunächst soll beim Verwaltungsgericht die Aufhebung der Gültigkeit des Beschlusses beantragt werden. Sollte sich dabei kein positives Urteil ergeben, werden sie sich nach eigener Aussage an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wenden. (...)