Frankfurter Rundschau, 28.01.2002

Im Streit über das Kurdische greift Ankara hart durch

Petitions-Unterzeichnern droht Haft / Ecevit bekräftigt Verbot an Schulen und Universitäten

Von Gerd Höhler (Athen)

Die kurdische Sprache soll auch in Zukunft aus den Schulen und Universitäten der Türkei verbannt bleiben. Premier Bülent Ecevit wies die Forderung nach Zulassung des Kurdischen scharf zurück. Rund 2000 Studenten, die sich für entsprechende Petitionen einsetzten, wurden in den vergangenen Wochen festgenommen.

Die Forderung, Kurdisch an Schulen zu erlauben, sei "nicht akzeptabel und unmöglich zu erfüllen", betonte Ecevit am Wochenende in einem Fernsehinterview. Die Strafverfolger vermuten hinter den Petitionen eine "aus dem Ausland gesteuerte" Kampagne der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und sehen den Tatbestand des "Separatismus" erfüllt.

Zwar legalisierte die Türkei mit einer Verfassungsänderung im Herbst vergangenen Jahres das Kurdische in den Massenmedien. Seither haben vor allem im Südosten des Landes viele Radio- und Fernsehstationen ihre Programme ganz oder teilweise auf Kurdisch umgestellt. Die Betreiber der Sender berichten aber immer wieder von Razzien, bei denen häufig die technische Ausrüstung konfisziert werde.

Unberührt von der Verfassungsreform, mit der die Türkei nicht zuletzt den Forderungen der EU nach mehr Freiheitsrechten nachkommen wollte, blieb das kurdische Sprachverbot an Schulen und Hochschulen. Laut Verfassungsartikel 42 darf an den Lehranstalten allein Türkisch als Muttersprache unterrichtet werden.

Die Forderung nach Zulassung des Kurdischunterrichts ist nicht neu. Sie rückte jedoch in jüngster Zeit immer mehr in den Mittelpunkt der Bemühungen der Kurden um eine eigene kulturelle Identität. Vorgebracht werden solche Forderungen vor allem von Menschenrechtsorganisationen und der pro-kurdischen Demokratie-Partei des Volkes (Hadep).

Immer nachdrücklicher verlangen aber auch kurdische Schüler, Studenten und Eltern eine Aufhebung des Verbots. Nach Angaben der Polizeibehörden wurden im Laufe des vergangenen Jahres rund 5000 entsprechende Petitionen eingereicht. Seit Ende Dezember registrieren die Schulbehörden eine stark wachsende Zahl solcher Gesuche.

Die türkische Regierung reagiert auf diese Entwicklung mit äußerster Härte. Innenminister Rüstü Kazim Yücelen wies die Gouverneure der 81 Provinzen an, "Verfassungsverstöße" nicht zu dulden und gegen die Bittsteller vorzugehen. Studenten und Schüler, die in den Universitäten und Schulen Kurdisch sprächen, seien den Sicherheitsbehörden zu melden, Plakate, Diskussionsveranstaltungen und Theateraufführungen in der verbotenen Sprache dürften an den Lehranstalten keinesfalls geduldet werden.

Rund 2000 Studenten, die die Petitionen unterschrieben hatten, wurden festgenommen und verhört. Auch 90 Hadep-Funktionäre wurden festgesetzt, denen die Justiz vorwirft, die Kurdisch-Kampagne inszeniert zu haben. Die meisten Festgenommenen sind inzwischen wieder frei, aber ihnen drohen Strafverfahren vor den Staatssicherheitsgerichten und möglicherweise langjährige Haftstrafen.

Mit ihrem Vorgehen will die Regierung in Ankara offenbar auch den EU-Regierungen demonstrieren, dass weitere Zugeständnisse gegenüber den Kurden von ihr nicht zu erwarten sind.