Neue Zürcher Zeitung, 28.01.2002

Sprache der Terroristen?

it. Vor genau einem Jahrzehnt hat der damalige Generalstabschef, Dogan Güres, in der Türkei für Aufsehen gesorgt, als er im überwiegend von Kurden bewohnten Städtchen Cizre ein junges Mädchen mit dem kurdischen Wort «wara, wara» (komm, komm) ansprach. So etwas hatte man von einem hohen Vertreter des türkischen Staates nicht erwartet. Der Gebrauch der kurdischen Sprache in der Öffentlichkeit war offiziell erst seit Beginn der neunziger Jahre entkriminalisiert und galt somit nicht mehr als Straftat. Davon profitierten vor allem die ungebildeten Volksschichten im Osten des Landes, die ohne Kenntnis der türkischen Sprache im Verkehr mit den Behörden bis dahin die «Wahl» hatten, nichts zu sagen oder für den Gebrauch einer offiziell nicht zugelassenen Muttersprache bestraft zu werden. Die von Generalstabschef Güres geweckte Hoffnung, in der leidigen Sprachfrage endlich zu einer rechtlichen Lösung zu kommen, ist allerdings trotz zahlreichen verbalen Zusicherungen aus Ankara nicht erfüllt worden. Wer diese Sprache lernen oder lehren möchte, läuft weiterhin Gefahr, als Terrorist abgestempelt zu werden.