Özgür Politika, 12.1.2002

DGM-Antwort auf Kurdisch-Forderung

Das Justizministerium hat ein Schreiben an die Staatsanwaltschaften verschickt, in dem die Eröffnung von Strafverfahren wegen PKK-Mitgliedschaft an den Staatssicherheitsgerichten (DGM) gegen Studierende gefordert wird, die sich für muttersprachlichen Unterricht einsetzen.

MHA / ANKARA

Die Forderung kurdischer Studierender der Universitäten in der Türkei und Kurdistan nach muttersprachlichem Unterricht wird mit der Anschuldigung "PKK-Mitgliedschaft" beantwortet. Das Justizministerium hat die Staatsanwaltschaften aufgefordert, gegen Studierende, die einen dementsprechenden Antrag bei den Universitäten einreichen, Strafverfahren am Staatssicherheitsgericht (DGM) einzuleiten.

Zuvor hatte das Innenministerium einen Bericht zur vor einer Weile an den Universitäten in Ankara, Istanbul, Izmir, Mersin, Adana, Amed und Van begonnenen Kampagne für muttersprachlichen Unterricht erstellt. Dieser Bericht wurde an das Justizministerium weitergeleitet. In dem Bericht wird bezugnehmend auf den 7. PKK-Kongress hervorgebracht, die Universitäten stellten den Anfang der auf dem Kongress beschlossenen Politisierung dar und die Kampagne sei eine unterstützende Tätigkeit. Die Studierenden, die Unterricht in ihrer Muttersprache forderten, seien als ´Sympathisanten der Organisation` zu betrachten. Ab Januar 2002 werde damit begonnen werden, bei den Meldebehörden und Gerichten Anträge auf die Eintragung "kurdisch" in Ausweisen zu stellen. Die massenweise Antragstellung werde in der gesamten Türkei vorbereitet.

HADEP auf der Zielscheibe

Weiter heisst es in dem Bericht, um eine Beteiligung auf höchstem Niveau zu erreichen, werde von der HADEP-Jugendorganisation versucht, Elternvertreter zu überzeugen, die wegen eines möglichen Rauswurfes ihrer Kinder von der Schule in Sorge seien. Die Vereine von Gefangenenangehörigen arbeiteten in Koordination mit den Studierenden. Ausserdem werde sich darum bemüht, über die Strukturen von Egitim-Sen und KESK die Unterstützung der Gewerkschaften zu erlangen.

Die Forderung nach muttersprachlichem Unterricht sehe unschuldig aus, es handele sich jedoch um eine wachsende Gefahr, so der Bericht des Innenministeriums. Um dies zu verhindern, werden vom Justizministerium überzeugende Strafen gefordert. Das Justizministerium reagierte prompt und wies die Staatsanwaltschaften an, Strafverfahren wegen PKK-Mitgliedschaft gegen sich an der Kampagne beteiligende Studierende zu eröffnen.

Staatsanwaltschaften zögern nicht

Auf Anweisung des Justizministerium haben die Staatsanwaltschaften unverzüglich damit begonnen, Repression gegen die Studierenden auszuüben. So wurde Balci (24 Jahre), Soziologie-Student an der Universität Uludag im vierten Semester nach der Abgabe eines Antrages auf die Einführung von Kurdisch-Unterricht als Wahlfach vergangene Woche von der Jandarma festgenommen. Balci hatte seinem Antrag einen 165-seitigen Anhang zu den Themen "Muttersprachlicher Unterricht in der Türkei", "Die Politik zu muttersprachlichem Lernen" und "Die kurdische Sprache" beigefügt. Er wurde verhört, dem Staatsanwalt vorgeführt und wegen "Unterstützung der PKK" verhaftet und ins Gefängnis gesteckt.

Auch an der Trakya-Universität wurden zehn Studierende festgenomen, die Kurdisch als Wahlfach gefordert hatten. Bei Razzien in ihren Wohnungen wurde eine grosse Anzahl von kurdischen Büchern und Kassetten beschlagnahmt. Nach einem staatsanwaltschaftlichen Verhör wurden sie wieder freigelassen.

Wie Polizeisprecher Feyzullah Arslan in einer Erklärung bekannt gab, wurden innerhalb der letzten Woche im Rahmen der Muttersprachen-Kampagne insgesamt 19 Personen verhaftet, davon sechs Studierende.

Antipropaganda-Flugblatt

In einem Flugblatt, das mit "Eine Gruppe Jugendlicher aus dem Osten" unterzeichnet und an Universitäten und Schulen in Izmir und Umgebung verteilt worden ist, wird Propaganda gegen eine Beteiligung an der Kampagne gemacht. Es enthält Drohungen gegen sich an der Kampagne Beteiligende sowie gegen HADEP und MEDYA TV.