Yedinci Gündem, 5.-12. Januar 2002

Forderung nach Kurdisch-Unterricht im Parlament

Die Unterstützung für die von Studierenden der Istanbul-Universität begonnene Kampagne für muttersprachlichen Unterricht weitet sich weiter aus.

Während ElternvertreterInnen in Batman, Van und Istanbul Anträge auf die Einführung von Kurdisch-Unterricht an Grundschulen bei der Nationalen Ausbildungs-Direktion gestellt haben, ist die Diskussion um kurdischsprachigen Unterricht auch bis ins Parlament vorgedrungen.

An der 100. Yil-Universität in Van, wo 2500 gesammelte Anträge vom Rektorat zurückgewiesen worden waren, wird die Kampagne fortgesetzt. Inzwischen sind es rund 3000 Anträge, die in den kommenden Tagen erneut beim Rektorat eingereicht werden. Weitere 325 Anträge, die an der Mustafa-Kemal-Universität zusammen gekommen sind, sind im Rektorat von Studierenden übergeben worden. Zunächst war die Annahme der Anträge mit der Begründung, es handele sich nicht um Einzelanträge, abgelehnt worden. Aufgrund der Beharrlichkeit der Studierenden sah sich das Rektorat schliesslich gezwungen, die Annahme der Anträge zu akzeptieren.

Hunderte von Anträgen

In Adana versammelten sich hundert ElternvertreterInnen mit ihren Kindern vor dem Landratsamt Seyhan, um 118 Anträge mit der Forderung nach Kurdisch als Wahlfach abzugeben. Die Polizei kesselte die Gruppe ein. Nachdem Vertreter des Landratsamtes eingewilligt hatten, dass die gesammelten Anträge von zwei Personen abgegeben werden können, wollten die ElternvertreterInnen das Gebäude betreten. Die an der Tür wartenden Polizisten gaben sich als Mitarbeiter des Landratsamtes aus, beschlagnahmten die Anträge unter Anwendung von Gewalt und drängten die ElternvertreterInnen zurück.

In Van wurden 15 ElternvertreterInnen, die sich mit der Forderung nach Kurdisch-Unterricht an die Nationale Ausbildungsdirektion gewandt hatten, festgenommen. In Istanbul-Bagcilar überfiel die Polizei die Wohnungen von ElternvertreterInnen, die letzte Woche Anträge gestellt hatten. Wie bekannt wurde, übte die Polizei Druck aus und sprach Drohungen aus, um die Eltern zur Rücknahme ihrer Forderung zu bewegen.

In Batman wurden von 60 ElternvertreterInnen, die Anträge an die Nationale Erziehungsdirektion gestellt hatten, acht bei Wohnungsrazzien festgenommen. Fünf von ihnen wurden freigelassen, drei befinden sich nach wie vor in Polizeigewahrsam. In Siirt wurde die Abgabe von knapp 100 Anträgen von der Polizei verhindert. (...)

Forderung im Parlament

Die Diskussion um kurdischen Unterricht ist auch auf das Parlament übergegriffen. Der ANAP-Abgeordnete von Diyarbakir, Abdülbaki Erdogmus, äusserte in einer Rede im Parlament, es handele sich um eine Schande, dass das Recht auf muttersprachlichen Unterricht verwehrt werde. In der Türkei werde Gedankenfreiheit und muttersprachlicher Unterricht als Verbrechen gewertet. "Wie lange wird sich die Türkei, die ihre Zukunft in Europa sieht, noch sträuben?" fragte Erdogmus, und fuhr fort: "Solange wir nicht die notwendigen Schritte zum Thema Gedanken-, Glaubens- und Ausdrucksfreiheit unternehmen, handeln wir gegen die Kopenhagener Kriterien."

Unterstützung von TMMOB

Weitere Unterstützung für die Kampagne für muttersprachlichen Unterricht kam von der Union der Architekten- und Ingenieurskammern der Türkei (TMMOB). Sevket Akdemir als TMMOB-Vertreter von Van sprach vergangene Woche auf zwei verschiedenen Regionalkongressen der Kampagne seine Unterstützung aus und erklärte, die Kulturenvielfalt sei ein positiver Beitrag zur Türkei. Als geladene Gäste anwesende Dekane der 100.-Yil-Universität reagierten nach Angaben Akdemirs unwirsch auf seinen Redebeitrag. Unter anderem sei seine Ansprache mit denen von Leyla Zana und Hatip Dicle im Parlament verglichen worden. Dazu erklärte Akdemir: "Ob es nun Zana sagt, Dicle oder ich - muttersprachlicher Unterricht ist ein Recht, das jedem Menschen zusteht."

Istanbul und Marmara

Yildiz Polat, Jura-Studentin der Istanbul-Universität ist mit der Begründung "Mitgliedschaft in der Jugendorganisation der PKK" im Frauen- und Kindergefängnis Bakirköy inhaftiert worden. Die Studierenden der Istanbul-Universität gaben daraufhin eine Erklärung ab, in der sie betonten, aller Repression zum Trotz werden sie die Bewegung weiterhin gemeinsam fortsetzen, und gegen das antidemokratische Vorgehen protestierten.

An der Marmara-Universität ist von "Spezial-Sicherheitskräften" eine Liste aufgehängt worden, auf der die Namen der Studierenden aufgeführt werden, die sich mit ihrer Unterschrift an der Kampagne beteiligt haben, und die Betreffenden aufgefordert wurden, sich am 6. Januar in der Mensa zu versammeln.

Studierenden-Antrag an UN

Kurdische Studierende und SchülerInnen aus dem Flüchtlingslager Maxmur in Südkurdistan haben zur Unterstützung der Kampagne in der Türkei 2700 Unterschriften gesammelt, die sie der Mittelost-Vertretung der Vereinten Nationen zukommen liessen. (...)