Özgür Politika, 21.11.2001

Kurdisch-Kampagne begonnen

MHA / ISTANBUL

'Muttersprache ist Existenzvoraussetzung' und 'Begrenzung unserer Sprache bedeutet Begrenzung unserer Welt' - das sind die Parolen, mit denen kurdische Studierende aufgebrochen sind, um ihre Forderung nach Einführung von Kurdisch als Wahlfach an den Universitäten durchzusetzen. Der Startschuss zur Kampagne fiel gestern in Istanbul. Die Studierenden, die seit zwei Monaten unter dem Namen "Initiative kurdischer Studierender für kurdischsprachige Ausbildung" aktiv sind, überreichten dem Rektor der Istanbul-Universität (I.Ü.), Prof.Dr. Kemal Alemdaroglu, ein von 200 Studierenden unterschriebenes Gesuch, in dem daran erinnert wird, dass muttersprachlicher Unterricht ein Recht ist, das auch die Türkei im Rahmen internationaler Abkommen unterschrieben hat, und die Einführung von Kurdisch als Wahlfach gefordert wird.

Im Anschluss gab die Initiative im Menschenrechtsverein IHD eine Presseerklärung ab, die sowohl auf kurdisch als auch auf türkisch verlesen wurde. (...) In der Erklärung verwiesen die Studierenden auf die aktuellen Diskussionen zu kurdischsprachiger Ausbildung und Medien. Um einen demokratischen Beitrag zur Aufhebung der bestehenden Sprachverbote zu leisten, hätten sie die Kampagne für kurdischsprachiges Lehren und Lernen begonnen. Muttersprache sei eine menschliche Existenzvoraussetzung, so wurde in der Erklärung betont.

Muttersprache und Frieden

Weiterhin wurde auf Untersuchungen verwiesen, nach denen aufgezwungener Unterricht und Leben in einer Fremdsprache zu Anpassungsproblemen, Verlust- und Misserfolgsgefühlen, Beziehungsstörungen und Depressionen führen. "Aus diesen Problemen resultiert die Unfähigkeit, ein für die Gesellschaft nützliches, produktives Individuum zu werden. Die Nichtanerkennung der Sprache, Kultur und Geschichte eines Volkes, die Behinderung einer Entwicklung auf diesen Gebieten, führt zum Verschwinden, zur Vernichtung eines Volkes und einer ungesunden Entwicklung der Gesellschaft. Von einem Individuum, das in einer solchen Gesellschaft aufwächst, kann nicht erwartet werden, dass es sich selbst und der Gesellschaft Nutzen bringt. Desweiteren führt eine solche Herangehensweise zu Separatismus in der Gesellschaft, zu geistiger und seelischer Zersplitterung und Gewalt. Damit wird die Möglichkeit einer gemeinsamen Bewegung für sozialen Frieden und allgemeingesellschaftlichen Nutzen verbaut. Muttersprache macht einen grossen Bestandteil der Existenz eines Menschen aus, ist ein wichtiges Mittel, um stabile soziale Beziehungen aufzubauen und ein wesentlicher Faktor in der Sozialisierung des Menschen als ein produktives und denkendes Individuum, das sich selbst und die Gesellschaft weiterentwickelt."

Aufruf zur Unterstützung

Im Anschluss an die Erklärung forderten die Studierenden ihre KommilitonInnen an anderen Universitäten dazu auf, ebenfalls Gesuche mit der Forderung nach Einführung von Kurdisch als Wahlfach bei den Rektoren einzureichen und riefen Lehrkörper, demokratische Massenorganisationen, zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Parteien zur Unterstützung ihrer Kampagne auf.

An der Pressekonferenz beteiligten sich neben einer grossen Anzahl von Studierenden auch der Istanbuler HADEP-Vorsitzende RA Dogan Erbas, der Journalist Celal Baslangic, die IHD-Mitarbeiterin Gülseren Yoleri, der Vorsitzende des Kurdischen Instituts Hasan Kaya, der kurdische Sprachwissenschaftler Feqi Hüseyin Sagniç, die Göç-Der-Vorsitzende Sefika Gürbüz, die Friedensmütterinitiative sowie das Dicle-Frauenkulturzentrum. (...)