junge Welt, 04.07.2001

An wen richtet sich die Identitätskampagne der PKK?

jW sprach mit Songül Karabulut, Mitarbeiterin des Kurdistan Informations Zentrums (KIZ) in Berlin

F: Die kurdische Arbeiterpartei PKK hat vor kurzem eine »Identitätskampagne« begonnen, in der sich in Europa lebende Kurden per Selbstanzeige bei den zuständigen Behörden zur PKK bekennen. Wer ist Adressat der Kampagne?

Die Selbstanzeigenaktion richtet sich an die europäischen Regierungen und an das Europaparlament. Europa war Anfang des 20. Jahrhunderts maßgeblich daran beteiligt, daß Kurdistan unter vier Ländern aufgeteilt wurde. Kurden sind nicht nur in der Türkei, sondern international nicht anerkannt. Dementsprechend haben wir auch keinen Anspruch auf demokratische Rechte, beispielsweise auf eine Vertretung in der UNO. Die Kampagne zielt darauf ab, dieser Verleugnungspolitik entgegenzuwirken und einen politischen und kulturellen Status für uns zu erkämpfen. Der erste Schritt dazu ist der Kampf gegen das PKK-Verbot, das in Frankreich, der BRD und seit etwa vier Monaten auch in Großbritannien gilt. In Frankreich hat jetzt das höchste Gericht die Vorwürfe gegen die PKK, die zur Grundlange für das Verbot gemacht wurden, für rechtswidrig erklärt.

Das PKK-Verbot bildet die Basis für Diskriminierung und Kriminalisierung unserer politischen Arbeit. Für uns ist die Verschleppung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan im November 1998 mit der Situation nach dem 1. Weltkrieg zu vergleichen. Damals konnte Kurdistan von der Landkarte gestrichen werden, weil die Kurden unorganisiert und ohne politische Führung waren. Mit der Kampagne soll gezeigt werden, daß wir organisiert sind und unsere politische Vertretung, die PKK, offiziell anerkennen.

F: Mit der Selbstanzeige liefern Kurden den Behörden Namen und Anschrift frei Haus. Haben Sie keine Angst vor Repressionen?

Jeder Kampf gegen Unterdrückung hat seinen Preis. Das kurdische Volk strebt ein Leben in Freiheit und Frieden an. Für diese legitime Forderung haben wir bereits einen sehr hohen Preis gezahlt und sind bereit, dies weiterhin zu tun. Die Kampagne wird die Nagelprobe für die europäischen Staaten, inwieweit sie ihrem Anspruch, demokratisch zu sein, gerecht werden. Die Reaktion wird zeigen, ob man unsere Forderung nach politischer und kultureller Anerkennung ernst nimmt oder ob man uns mit einer neuen Repressionswelle überzieht. Alle, die sich an der Kampagne beteiligen, sind sich über die möglichen Folgen im klaren. Die erste große Aktion lief in Düsseldorf am 13. Juni. Im Rahmen des Prozesses gegen Sait Hasso wurde dem Vorsitzenden Richter eine Liste mit 1 460 Unterschriften von Leuten, die sich zur PKK bekennen, übergeben. In Europa beteiligten sich bisher mehr als 10 000 Menschen aktiv an der Kampagne. Gerade erreichte uns die Nachricht, daß sich in Israel 100 Menschen der Aktion angeschlossen haben. Wir erwarten natürlich auch die Unterstützung der demokratischen Öffentlichkeit hier in der BRD.

F: Die hat es aber bislang kaum gegeben.

Überall, wo wir unsere Aktion bekanntmachen, stoßen wir auf großes Interesse. Die deutsche Öffentlichkeit muß begreifen, daß die kurdische Frage nicht nur etwas mit uns zu tun hat. Die Verschärfung des Asylgesetzes wurde mit dem PKK-Verbot legitimiert, Abschiebungen werden damit begründet. Nach wie vor unterstützt die Bundesregierung die Türkei wirtschaftlich und politisch.

Interview: Birgit Gärtner