Özgür Politika , 6. Mai 2001

Die freie Frau muss das Neue erschaffen

"Das grundlegende Ziel der PJA besteht darin, mit den Frauen aller Welt zusammenzutreffen und damit einhergehend ihre gesellschaftlichen Probleme zu lösen. Die Öffnung der PJA zur ganzen Welt findet seit zwei Jahren statt. Dieses Ziel gibt es seit dem 2. Kongress, aber die praktische Umsetzung war bisher sehr schwach. In der momentane Phase wird daran gearbeitet, die Öffnung zur Welt konkret umzusetzen. Es ist das Projekt "Freies Leben" entstanden. Jetzt wird daran gearbeitet, einhergehend mit einer gesellschaftlichen Vereinbarung Modelle zu definieren, die die gesellschaftlichen Probleme vermindern und lösen können. Die Akademie entspricht ein bisschen der Untersuchung dessen."

Von C. ALKAN / M. SARAC / N. AYDOGAN

Unser Wochengespräch haben wir diesmal der Führung der Partei der Freien Frau (PJA) vorbehalten. Sie sind aus Dörfern Kurdistans, aus der Diaspora und aus den Metropolen ins PJA-Hauptquartier gekommen. Alle sind sie auf der Suche, stellen Nachforschungen an. Wir wollten hinter das Geheimnis kommen, das trotz aller Schwierigkeiten des Lebens in den Bergen die Leidenschaft ausmacht, die diese Frauen an das Leben bindet, das Hoffnung, Lebendigkeit und Regenbogen in ihren Augen glänzen lässt. Im Gespräch mit den PJA-Parteiratsmitgliedern Sozdar Avesta, Beritan Dersim, Piroz Kocgiri, Evindar Serhat sowie Zozan Erzurum und Nefel Avyan vom Vorstand der Akademie haben wir Antwort auf die Fragen gesucht, wie die Organisierung des PJA-Hauptquartiers und die Arbeit der Akademie der Freien Frau aussieht und was die freie Frau ausmacht, was für eine Gesellschaft und was für ein Frieden angestrebt werden.

Was denken Sie beim Begriff 'Freie Frau'?

Aus unserer Sicht beginnt der Freiheitskampf mit der PKK. Unsere Gesellschaft ist eine versklavte Gesellschaft. Es ist sogar eine Gesellschaft, die in der Menschheit auf der Schwelle zur Auslöschung steht. Innerhalb dieser Gesellschaft gibt es auf dem Nullpunkt die Realität der Frau. Die Gesellschaft Kurdistans hat vor allem in der Realität der Frau verloren. Es heisst doch, 'Die Freiheit einer Gesellschaft lässt sich an der Freiheit der Frauen in dieser Gesellschaft messen'.

Freiheit ist unendlich, bedeutet Leidenschaft, Forschung und Suche. Der Masstab der Freien Frau kann nicht auf Papier entworfen oder als Utopie innerhalb kurzer Zeit erreicht werden. Eine Wirklichkeit hervorzubringen, die seit Tausenden von Jahren verloren geht, erfordert Kampf und Forschung. In dieser Hinsicht zeigen die Schwierigkeiten des Befreiungskampfes wie wertvoll die Freiheit ist. In der Wirklichkeit unseres Kampfes ist das zu sehen. Es ist sichtbar im Kampf für Freiheit, in den vielen gefallenen GenossInnen, in der Aktion und der Organisierung. Das ist die Realität Zilans, Semas, die Realität Ronahis. Wie schwer es ist, die Freiheit zu erlangen, wird in der Aktion deutlich.

Warum findet die Suche nach Freiheit in der PKK und in den Bergen statt?

Die Unterschiedlichkeit der Realität der PKK ist an die Realität der Führung gebunden. Das muss als erstes gesagt werden. Die Bewegung PKK ist eine Befreiungsbewegung. Die Führung sagt, 'Die Frau ist der verborgene Garten der Freiheit'. Freiheit wird in Hinsicht der Frau auf dieser Basis definiert. Freiheit ist schwer, aber nicht unerreichbar. Freiheit darf nicht abstrakt bleiben. Freiheit bedeutet, das Leben zu spüren. Es herrscht eine gesellschaftlich und historische Repression und Schwierigkeiten. Dagegen rebellieren Frauen unter der Führung der PKK.

Die Frau hat die Leidenschaft und den Willen, den Kampf um ihre in der Gesellschaft verlorene Freiheit aufzunehmen. Daraus resultiert die Beteiligung oder die führende Teilnahme an den Serhildans oder an persönlichen Aktivitäten.

Worin liegen die Schwierigkeiten in der Schaffung der Freien Frau in den Bergen?

Die Schwierigkeiten sind nicht nur physikalischer Natur. Die Frau hat dort ihre grösste Revolution gemacht. Es gibt Schwierigkeiten, weil die Frau ihre eigene Realität noch nicht entdeckt hat. Wir erleben im Moment die grössten Schwierigkeiten in der PJA, in der Struktur unseres eigenen Hauptquartiers und unserer eigenen Arbeit. In der Akademie der Freien Frau liegen die Schwierigkeiten im Kampf mit der eigenen Auffassung und Mentalität. Dieser Kampf entwickelt sich zunehmend.

In der vor uns liegenden Phase müssen auch die männlichen Freunde das erleben. Auf dem Kongress wurde darüber diskutiert. Meiner Meinung nach müssen auch die Freunde dieses Gefühl und diese Gedanken erleben. Viele der Gefühle, Gedanken, der psychologische und geistige Zustand, den Frauen in der Vergangenheit und sogar heute noch leben, müssen auch die Freunde erleben. Es ist zum Beispiel unser Ziel in der nächsten Periode auch Männer in die Akademie aufzunehmen. Auch der Mann muss sich auf der Basis des Projektes Freies Leben oder Umwandlung des Mannes in der Frauenakademie ausbilden.

Was sind die Ziele der Akademie?

Das Ziel besteht darin, einen stärkeren gesellschaftlichen Rang zu erreichen. Es ist ein Modell, das als Zentrum dient und in die Gesellschaft einfliessen soll. Allerdings ist eine etwas stärkere Avantgarde notwendig. Die bisher existierenden Arbeiten geben keine Antwort mehr auf die momentane Phase. Alles läuft über das Bewusstsein. Ohne Bewusstsein und ohne die Auflösung der Widersprüche in der existierenden Gesellschaft, der Situation der Frau, in Kultur, Nation und Natur, ist es nicht möglich, einen Schritt zu setzen. Das Ziel heisst Bewusstmachung, und zwar so breit und tiefgehend, dass daraus Resultate entstehen und Früchte getragen werden.

Es ist wichtig, das Leben neu zu organisieren. Ablehnung des Vorhandenen, an dessen Stelle die Einsetzung des Neuen, in dieser Hinsicht die Änderung einer tausendjährigen Geschichte. Denn in dieser Geschichte kommt die Frau nicht vor. Die Geschichte neu finden, das zu erschaffen, ist auf die Frau ausgerichtete Arbeit. Die Frauendimension bildet die Achsel unserer Arbeit. Beim Kampf gegen die männliche Herrschaft ist es in gewisser Hinsicht auch das Ziel, den Mann zu ändern, umzuwandeln. Er muss in unser existierendes gesellschaftliches Projekt einbezogen werden.

Es gibt das Projekt, den Mann umzuwandeln. Wie werden Sie das umsetzen?

Die Umwandlung des Mannes ist eine sehr notwendige Sache. Wenn es in der Gesellschaft nicht nur Frauen geben soll bzw. sie weder männerlos noch frauenlos gedacht wird, muss es auch den Blickwinkel auf die Männer geben. Eine dogmatische Annäherung nach dem Motto, es gibt nur eine männliche Unterdrückung, wir müssen den Mann ausschliessen oder gegen ihn Krieg führen, ihn vernichten, ist nicht besonders realistisch und auch nicht förderlich.

Das vorhandene männliche Herrschaftssystem ist nicht in der Lage, eine Lösung zu schaffen. Es bildet keine Perspektive für eine neue Gesellschaft, einen Neuaufbau, einen neuen Mann, eine neue Frau. Wir sagen nicht, dass wir genau das Richtige wissen und die Perspektive schaffen, aber wir halten uns an das Existierende. Das hat bis heute keine Kraft ausser der PKK geschafft.

Wie definieren Sie sich im Moment innerhalb der PKK?

Um dich mit der Führung zu vervollständigen, musst du dich mit Krieg, Leben und als Frau vervollständigen. Führung bedeutet für uns Freiheit und Regenbogen, eine unerreichbare Persönlichket. Dort wird alles sichtbar und jeder kann sich dort finden. Seit 89 stellt die Frau Nachforschungen für das Zusammentreffen mit der Führung an. Wie und zu welchem Thema soll mit der Führung zusammengetroffen werden? Die Führung darf dabei nicht als eine Person betrachtet werden. Ich sehe die Führung als eine Linie, als die Vorhut der Freiheit. Als Frau gilt unsere ganze Anstrengung dem Zusammentreffen mit der Führung. Die von der Führung erschaffene Frau ist eine Frau, die Avantgarde für die ganze Welt sein kann.

Der PKK-Vorsitzende Herr Abdullah Öcalan sagt, 'die Partei der Frau ist die Partei des Friedens'. Was ist das für ein Frieden?

Nach der Parteiführung wird der Geschlechterwiderspruch an vorderer Stelle im 21. Jahrhundert stehen und damit einhergehend gesellschaftlicher Frieden kommen. Die Rolle einer treibenden Kraft der Frau im Übergang zum Leben in Frieden, einer sozialistischen Gesellschaft und Demokratie hängt von ihrer eigenen inneren Form der Organisation ab.

Die Akademie der Freien Frau ist grundlegendes Mittel zur Erreichung des Friedens. Sogesehen ist sie ein Modell zur Erreichung gesellschaftlichen Friedens, zur Installierung eines sozialistischen Gesellschaftsmodells und zur Erreichung der Persönlichkeit des sozialistischen Menschen. Es geht nicht nur um Kaderausbildung oder akademische Arbeit auf der Grundlage historischer Forschung. Die Akademie definiert die Methoden der Organisierung und des politischen Kampfes der Frauenbewegung, stellt die Kader, entwickelt Projekte zur Umsetzung dessen. Ausserdem bildet sie das Fundament für die konkrete Entwicklung des vorgesehenen Menschentyps, die Kampfmethoden und das Lebensmodell und die Verbreitung dessen in der Gesellschaft. Die Ziele der Akademie in dieser Phase sind die Wiederspielung dessen in der Gesellschaft. Wir arbeiten daran, jede Gesellschaftsschicht, die Frau und die Menschheit zu erreichen.

Was hat die Frauenbewegung soweit gebracht?

Was die PKK soweit gebracht hat, ist der Monat Mai, in dem wir uns befinden (Anm. Monat der Märtyrer). JedeR Gefallene gibt Antwort auf eineN weitereN GefalleneN, zweifellos ist das der heiligste unserer Werte, der uns auf den Beinen hält. (...) Die PKK hat ein sehr eigenes System. Dieses System beruht auf der Frau. Es ist ein System für eine neue Welt und gegen das ausbeuterische herrschende System. Was in der Türkei zur Zeit stattfindet, ist keine Wirtschaftskrise, sondern die Auflösung eines Systems. Letztendlich ist dieses System ein System männlicher Herrschaft. In dieser Hinsicht konnte das oligarchische System keine Lösung darstellen, es konnte das Leben der Frau nicht finden. Das letzte Beispiel dafür sind die Vorfälle auf dem DSP-Kongress. Es ist ein System, das Frauen keine zwei Worte sprechen lässt und es nicht erträgt, dass Frauen ihre demokratischen Rechte anwenden. Es muss verstanden werden, wie schwer in einer solchen Gesellschaft der Kampf dagegen ist. Als PJA tragen wir eine historische Mission auf unserer Schulter. Unsere historische Mission ist der Kampf gegen dieses System.

Die Führung erklärt in ihren letzten Mitteilungen, 'es ist die Frau, die den Sieg der Demokratie bringen wird', und wirklich ist eine Institution, in der der Wille der Frau nicht vorkommt, in der die Frau nicht lebendig ist und als Ganzes Raum einnimmt, eine antidemokratische Institution, die nicht teilen kann und ungerecht ist. Wir können das jeden Tag deutlich anhand der Probleme in der Türkei sehen. Um dagegen anzukämpfen, muss als erstes ein Bewusstsein entstehen und die Frau muss sich organisieren und in Bewegung setzen.