junge Welt, 29.11.99

Politisches Tauschgeschäft mit Panzern?

Schröder und Fischer bieten 1 000 Leopard II für Kurswechsel in der Türkei

Die Koalitionsparteien haben die Bedingungen für einen künftigen EU-Beitritt der Türkei und die mögliche Lieferung von rund 1 000 Panzern an das Land aufeinander abgestimmt. Der »Spiegel« berichtete am Sonnabend vorab, Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joseph Fischer verlangten von der Türkei, daß die Regierung in Ankara das Todesurteil gegen Kurdenführer Abdullah Öcalan in lebenslange Haft umwandeln und sich zum Verzicht auf Gewalt gegen Kurden bekennen müsse. Ferner dürften die Türken den EU-Beitritt des griechischen Teils Zyperns nicht behindern.

Die Türkei soll bei der EU-Ratstagung in Helsinki in zwei Wochen den Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Die Bundesregierung stellte in der vergangenen Woche klar, daß es sich dabei nicht um eine weitere »Warteschleife« handeln soll wie vor zwei Jahren in Luxemburg. Damals war den ost- und mitteleuropäischen Ländern dieser Status zuerkannt, der Türkei aber lediglich »die Tür nicht für immer verschlossen« worden. Das hatte zu erheblicher Verstimmung in Ankara geführt.

In Helsinki soll nun nach Angaben aus Regierungskreisen unter den EU-Staaten Einigkeit darüber erzielt werden können, daß die Beitrittsverhandlungen beginnen können, wenn die Türkei Fortschritte auf dem Weg zum Rechtsstaat gemacht hat und Folter und Todesstrafe abgeschafft sind. Ob die milliardenschwere Panzerlieferung zustandekomme oder nicht, entscheide sich »nach genau den gleichen Kriterien«, hieß es.

Als »frei erfunden« hat das Auswärtige Amt die Spiegel-Meldung zurückgewiesen. Fischers Sprecher Andreas Michaelis erklärte dazu: »Die Behauptungen könnten nicht weiter vom Boden der Tatsachen entfernt sein.« Eine solche Absprache habe es nie gegeben. Es sei unlogisch, eine innenpolitische Frage wie den Verzicht auf die Vollstreckung des Todesurteils an Öcalan mit dem außenpolitischen Thema des EU-Beitritts Zyperns, also eines dritten Landes, zu vermengen. Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, meinte, einen »solch vagen Bedingungskatalog an die Türkei müßten wir als unzureichend zurückweisen«. Es gelte nach wie vor, »daß die Menschenrechtssituation die entscheidende Bedingung ist«.

Die SPD-Verteidigungspolitikerin Verena Wohlleben hat sich dagegen für die Lieferung von Kampfpanzern an die Türkei ausgesprochen. Zur Begründung sagte sie der »Welt am Sonntag«: »Die türkische Ost-Grenze ist die am meisten gefährdete Grenze der NATO. Im Verteidigungsfall wäre auch Deutschland verpflichtet, dem NATO-Partner Türkei militärisch beizustehen - eventuell sogar mit Wehrpflichtigen.« Es sei besser, der Türkei modernes Gerät statt deutscher Soldaten zu schicken. Mit Blick auf die Menschenrechte in der Türkei sagte Wohlleben: »Gerade durch die Panzerlieferungen haben wir doch erst Einflußmöglichkeiten.«

Der angesetzte Test für die Beschaffung von 1 000 neuen Kampfpanzern für die türkische Armee wird voraussichtlich am 10. Januar 2000 beginnen. Im Wettbewerb stünden nur noch der deutsche Leopard II, der amerikanische Abrams und der französische Leclerque. Der türkische Verteidigungsstaatssekretär Yalcin Burcak widersprach unterdessen Aussagen des früheren Regierungschefs Mesut Yilmaz, die Lieferung der deutschen Panzer sei bereits beschlossene Sache. »Eine Entscheidung fällt frühestens im Juli durch den Verteidigungsrat«, so Burcak.

(AP/ADN/jW)