junge Welt, 29.11.99

Kriminalisierung der PKK geht weiter

Bei Razzien gegen Kurden in ganz Deutschland 89 Wohnungen durchsucht

Pünktlich zum sechsten Jahrestag des PKK-Verbots und zur Bestätigung des Todesurteils gegen Abdullah Öcalan wurden, wie jetzt bekannt wurde, am vergangenen Mittwoch im Bundesgebiet 89 kurdische Wohnungen durchsucht. Den Bewohnern wurde vorgeworfen, »mutmaßliche Anhänger der verbotenen PKK« zu sein. 83 Männern und Frauen wird zur Last gelegt, »trotz der Betätigungsverbote« für die PKK und andere Organisationen gearbeitet zu haben. Rund 400 Polizeibeamte waren in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Nordrhein- Westfalen im Einsatz; über zwanzigtausend Mark privater Gelder wurden beschlagnahmt, mehrere Personen festgenommen.

Die Betroffenen kritisierten das widersprüchliche Verhalten der deutschen Politiker als »nicht nachvollziehbar«. Auf der einen Seite fordern jene Menschenrechte in der Türkei ein und stellen sich als Fürsprecher der internationalen Proteste gegen die Bestätigung der Todesstrafe für Öcalan hin. Zeitgleich gebe die deutsche Innenpolitik mit dem zu erwartenden Urteilsspruch jedoch ein neues Zeichen der Kriminalisierung der Kurden in der Bundesrepublik.

Die PKK wurde inzwischen in Deutschland von der »terroristischen Vereinigung« zu einer (»nur«) »kriminellen Vereinigung« zurückgestuft; auch deshalb fordern die kurdischen Aktivisten, mit der PKK als legitimer Vertretung des kurdischen Volkes wieder in den Dialog zu treten.

In einer Erklärung der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM) heißt es dazu: »Wieso wird von deutschen PolitikerInnen einerseits mit Recht von der Türkei die Einhaltung der Menschenrechte eingefordert, während andererseits Panzer, Gewehre und weitere Rüstungsgüter in eben das Land geliefert werden, in dem mit diesen Waffen Menschenrechte verletzt werden?« Die Aufrechterhaltung der Verbote kurdischer Organisationen habe aber noch eine weitere außenpolitische Dimension: Solange die PKK in Deutschland verboten ist, kann die Türkei davon ausgehen, daß ihrer starren Haltung in der Kurdenpolitik trotz aller gegenteiligen Äußerungen von deutscher Seite Verständnis, wenn nicht gar Sympathie entgegengebracht wird. Eine Aufhebung der Verbote in Deutschland wäre jedoch ein Signal, daß »die Friedenspolitik Abdullah Öcalans und seiner Partei ernst genommen wird«. Eine solche Haltung würde auch die Verantwortlichen in der Türkei zu der Erkenntnis bringen, daß von deutscher Seite ihre bisherige Politik gegenüber den Kurden und der PKK sowie eine mögliche Vollstreckung des Todesurteils gegen Abdullah Öcalan nicht toleriert würden.