taz Bremen, 27.11.1999

Ausländeramt schiebt schmutzige Nummer

Tschador aus Fotowerkstatt: Weil Iranische Botschaft Passfotos mit Schleier verlangt, bastelt Ausländerbehörde an Fotos rum / Iranerin sieht Persönlichkeitsrecht verletzt

Rechtsanwalt Christian Haisch traute seinen Augen nicht: Mit offenen Haaren und westlich gekleidet war seine Mandantin, die Iranerin Djamileh B., bei ihrer Einreise vor vier Jahren in Frankfurt fotografiert worden. Aber plötzlich trägt Frau B. auf diesen Passbildern einen Tschador. Das entdeckte der Anwalt kürzlich bei Akteneinsicht. "Die Verschleierung wurde allem Anschein nach in der Ausländerbehörde nachträglich montiert."

Die Iranerin war in ihrer Heimat in der Frauenbewegung und in der Demokratischen Iranisch-Kurdischen Partei aktiv. Deshalb floh sie nach Deutschland. "Ich hatte nie einen iranischen Pass, weil ich mich immer geweigert habe, verschleiert fotografiert zu werden", sagt sie. Durch die manipulierten Fotos fühlt sie sich in ihren Persönlichkeitsrechten und in ihrer Menschenwürde verletzt.

Ein Motiv, die Passfotos zu manipulieren, hätte die Ausländerbehörde durchaus. Zwar läuft Djamileh B.'s Asylfolgeantrag noch, nachdem ihr erster Asylantrag abgelehnt wurde. Doch aufschiebende Wirkung hat das eigentlich nicht. Wollte die Behörde also die Ausreise vorbereiten, bräuchte sie Fotos, die auch die iranische Botschaft akzeptieren würde. Mit Passfotos von Frauen, die keinen Tschador tragen, werden jedoch keine Reisedokumente ausgestellt. "So folgt die Behörde den Regeln des Mullah-Regimes", schimpft B.

Anwalt Haisch sagt: "Ich finde es höchst dubios, wie die Ausländerbehörde in dieser Situation und auf diese Weise versucht, die Ausreise vorzubereiten." Reiche eine Behörde derart manipulierte Fotos an eine andere, etwa die iranische Botschaft, weiter, erfülle dies möglicherweise den Tatbestand der Urkundenfälschung. Diese rechtlichen Bedenken scheint auch Uwe Papencord, beim Stadtamt zuständig für den Bereich asylrechtliche Maßnahmen, zu teilen. Er dementierte gestern auf Nachfrage der taz nicht, dass die Passbilder in der Ausländerbehörde bearbeitet wurden, betonte aber: "Wir haben keine Bilder an die iranische Botschaft weitergegeben." Was mit den Fotos geschehen solle, sei noch völlig offen und sollte gestern Nachmittag zunächst mit dem Senator für Inneres abgesprochen werden. "Dies ist das erste Mal, dass wir angesichts der Haltung der iranischen Botschaft vor so einer Situation stehen," rechtfertigte Papencord dieses Vorgehen.

In Bayern hat die starre Linie der iranischen Botschaft in Foto-Fragen zu einem vierwöchigen Aussetzung der Zwangsvorführungen von Iranerinnen geführt. Polizeibeamte hatten anfang November in Nürnberg einer Iranerin gewaltsam einen Tschador für ein Foto aufgesetzt und sie dabei verletzt. Bis das Verwaltungsgericht Ansbach sich zur Rechtmässigkeit dieser Massnahme geäussert hat, verordnete sich die Stadt Nürnberg eine Denkpause. Rechtliche Schritte im Blick auf das schwebende Asylverfahren will Haisch vorerst nicht einleiten. "Wir haben dem Gericht viele neue Dokumente vorgelegt. Ich halte nichts davon, jetzt hier einen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen.

B. ist für kommenden Dienstag in die Bremer Ausländerbehörde eingeladen worden. Was sie dort erwartet, weiss sie nicht, aber ihr Glaube in das deutsche Rechtssystem ist durch die Foto-Retuschen am Tiefpunkt angelangt. "Wenn deutsche Behörden so etwas mit meinem Foto machen, wie soll ich dann erwarten, dass sie die Dokumente, mit denen ich mein politisches Engagement belege, ernsthaft beurteilen?"

Lars Reppesgard