junge Welt 26.11.1999

Aufregung im Panzerturm

Türkischer Politiker in Berlin: Leopard-Kauf längst beschlossene Sache

»Wir haben das Interview mit Mesut Yilmaz auch nur in der Zeitung gelesen, wir können dazu keinen Kommentar abgeben«, sagte ein Sprecher des Münchner Panzerbauers Krauss-Maffei/Wegmann (KMW) am Donnerstag gegenüber junge Welt. Selbst einer der Hauptdarsteller im milliardenschweren Geschäft um die Lieferung von 1 000 Leopard II an die türkische Armee schien gestern völlig überrascht von den Äußerungen des ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten, der die Panzerlieferung in einem Interview mit der »Welt« schon als beschlossene Sache verkaufte. »Ich glaube, daß die Bundesregierung beschlossen hat, die Panzer in die Türkei zu liefern«, so Yilmaz, der diese Woche als Vorsitzender der Mutterlandspartei in Deutschland auf Werbetour für den EU-Beitritt der Türkei ist. Alles andere sei innenpolitische Diskussion in Deutschland, in die er sich nicht einmischen wolle. Und er wiederholte demonstrativ: »Die türkische Regierung wird diese Panzer aus der Bundesrepublik einführen.«

»Es gibt keinen unterschriebenen Vertrag zu Lieferung oder möglichem Lizenzbau der 1 000 Panzer«, erklärte der Sprecher von Krauss-Maffei/Wegmann im Gegensatz dazu. Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte die Debatte über die Panzerlieferung gestern nicht erneut hochkochen lassen. »Ich kenne keinen derartigen Antrag«, konterte er Fragen, ob es im Bundessicherheitsrat oder in anderen Gremien doch schon bislang unbekannte Vorentscheidungen zur Panzerlieferung gegeben hätte.

Das Berliner Bundespresseamt verwies auf die Vereinbarung zwischen SPD und Grünen, wonach die in der Koalition umstrittene Lieferung eines Testpanzers in die Türkei keine Vorentscheidung für eine spätere Kauflizenz darstelle. Den Widerstand der Grünen gegen den Rüstungsexport in die Türkei bekräftigte Vorstandssprecherin Antje Radcke. »Mir scheint, daß die Testlieferung offensichtlich eine Farce war«, sagte sie im Hessischen Rundfunk. Für sie sei klar, »es gibt keine 1 000 Panzer, solange sich die Menschenrechtslage in der Türkei nicht drastisch verbessert hat«.

Informierte Kreise in Ankara wiesen darauf hin, daß Yilmaz trotz seiner Funktion als Chef einer Regierungspartei gar nicht an der Panzerentscheidung beteiligt sei. Entscheiden werde das Militär selbst. Bislang schien klar, daß Krauss-Maffei/Wegmann bis Ende November einen Leopard in die Türkei liefern darf.

Im Wettbewerb mit dem US-amerikanischen M1 A2, Frankreichs Leclerc, Italiens Ariete und dem ukrainischen T 80 U soll der Leopard II E ab 1. Januar 2000 sechs bis zwölf Monate getestet werden. Der Leopard gilt dabei als Favorit, auch weil die türkische Armee bereits mit dem Vorgänger Leopard I ausgerüstet ist.

Bernd Verter