Erlanger Nachrichten, 25.11.1999

Bossi vertritt kurdische Familie

Münchner Unternehmer spendete für Familie des ausgewiesenen Mustafa D. 10000 Mark

Hoffen auf Altfallregelung der Innenminister - Duldung von Frau und Kindern läuft noch bis zum 19. Januar

Nach der 10000-Mark-Spende eines Münchner Unternehmers hat jetzt die Kanzlei des Staranwaltes Bossi das Mandat für die Familie des in die Türkei abgeschobenen Kurden Mustafa D. übernommen. Fraglich ist zur Zeit, ob die Ehefrau und die vier Kinder auf Grund der neuesten "Altfallregelung" für abgelehnte Asylbewerber in Deutschland bleiben können.

Der 46-jährige Mustafa D. war Ende Oktober bei einem Besuch der Ausländerbehörde im Rathaus von der Polizei festgenommen und unter dramatischen Umständen in die Türkei abgeschoben worden (die EN berichteten ausführlich). Während es für den mehrmals bis in höchste Instanzen abgelehnten Asylbewerber und exilpolitisch aktiven Kurden keine Chance auf ein Bleiberecht gegeben hatte, verfügen die Ehefrau und die drei Töchter im Alter von sechs, 19 und 20 Jahren sowie der elfjährige Sohn über eine "Duldung" bis zum 19. Januar. Deshalb erwartet die Ausländerbehörde der Stadt, dass die restliche Familie rechtzeitig "Vorkehrungen" einer freiwilligen Ausreise trifft und dies auch belegt, wie Dietmar Rosenzweig auf Anfrage der EN erklärte. Auf Grund der jüngsten Entwicklung ist er allerdings skeptisch: Inzwischen hat die Münchner Rechtsanwaltskanzlei Bossi die Behörde um einen "Sachstandsbericht" zum Fall der Familie D. gebeten.

Der Topanwalt wird offensichtlich mit Hilfe einer Spende in Höhe von 10000 Mark bezahlt, die ein Münchner Unternehmer aus der Softwarebranche dem Erlanger Unterstützerkreis mit dem ausdrücklichen Wunsch zur Verfügung gestellt hat, für eine optimale rechtliche Vertretung zu sorgen. Kurdische Verwandte und Bekannte sowie die Stadtratsfraktion der Grünen Liste haben dafür weitere knapp 5000 Mark beigesteuert.

GL-Stadtrat Hans-Hermann Hann, Sprecher des Unterstützerkreises, setzt nun darauf, dass die Ehefrau und die vier Kinder vor dem Hintergrund der eben erst von den Länderinnenministern in Görlitz beschlossenen "Altfallregelung" für Asylbewerber ein Bleiberecht erhalten. Dafür hatte sich auch José Luis Ortega Lleras, der Vorsitzende des Ausländerbeirates, in einem offenen Brief an OB Siegfried Balleis eingesetzt.

Ausführungsbestimmungen des Görlitzer Beschlusses auf freistaatlicher Ebene liegen noch nicht vor. "Ich beziehe meine Informationen derzeit aus dem Erlanger Nachrichten", sagte Dietmar Rosenzweig von der Ausländerbehörde. Mit einer einschlägigen Anweisung aus dem bayerischen Innenministerium rechnet er in der "nächsten oder übernächsten Woche" (siehe "Zum Thema").

Neben der kurdischen Familie D. könnte auch eine von der Stadt nicht näher benannte Zahl von Asylbewerbern aus Algerien und China in den Genuss der Altfallregelung kommen, weil die Zielländer eine "Rückführung" ablehnen. Dies gilt nicht für die 190 Kosovo-Albaner in Erlangen, die entweder bereits als Asylbewerber abgelehnt sind oder auf das Ende ihres Verfahrens warten. "Die Kosovoflüchtlinge müssen zügig zurückgeführt werden", heißt es in dem Görlitzer Beschluß der Innenminister.

Mustafa D. war von den deutschen Behörden trotz eines ärztlichen Attestes über seinen schlechten Gesundheitszustand abgeschoben worden. Nach Informationen von GL-Stadtrat Cafer Özdil befindet er sich in der Türkei weiter "im Untergrund", weil die Polizei bei Verwandten und Bekannten in Mustafa D.s Heimatort Gaziantep im Kurdengebiet rund 700 Kilometer östlich von Ankara weiter nach ihm fahndet.

WOLF-DIETRICH NAHR