Süddeutsche Zeitung 19.11.1999

Europaparlament macht Weg frei:

EU nimmt Fingerabdrücke von Asylbewerbern

Daten werden in Zentralcomputer gespeichert / Streit über Altersgrenze von 14 Jahren

Von Christina Rathmann Straßburg - Das Europäische Parlament hat den Weg frei gemacht für die Einrichtung einer zentralen Stelle zum Vergleich der Fingerabdrücke von Asylbewerbern und Menschen, die illegal in ein EU-Land einreisen oder sich dort aufhalten. Die Abgeordneten stimmten in Straßburg dem Entwurf der "Eurodac"-Verordnung mit Änderungen zu. Demnach müssen in allen EU-Staaten Asylbewerbern und illegal Einreisenden Fingerabdrücke abgenommen und in einem europaweiten Zentralcomputer gespeichert werden. Der Ministerrat muss der Verordnung noch zustimmen. Es wird erwartet, dass die Verordnung noch in diesem Jahr unterschrieben wird.

Bis zuletzt war im Parlament strittig, ob, wie von der Kommission vorgeschlagen, bereits ab dem Alter von 14 Jahren Fingerabdrücke abgenommen werden sollen. Nach einer turbulenten Debatte votierten die Abgeordneten für die vom Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger vorgeschlagene Altersgrenze von 18 Jahren. Das Mindestalter von 14 Jahren stehe im Widerspruch zu den geltenden internationalen Übereinkünften zu den Rechten des Kindes, begründete der Ausschuss seine Ansicht. Die konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei, die die größte Fraktion im Parlament stellt, hatte dafür gestimmt, dass schon von 14-Jährigen Fingerabdrücke genommen werden sollen. Da das Parlament in diesem Gesetzgebungsverfahren nur angehört werden muss, wird davon ausgegangen, dass der Ministerrat das Mindestalter wie geplant bei 14 Jahren belässt.

Die Eurodac-Stelle, die bei der Kommission in Brüssel angesiedelt sein wird, soll das Land feststellen, in dem ein Ausländer berechtigt ist, seinen Asylantrag zu stellen. "Ziel dieses Vorgehens ist es, alle Mehrfachanträge von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten aufzuspüren", heißt es in den Erläuterungen.

Eurodac soll im Wesentlichen eine zentrale Datenbank sein, an die alle Fingerabdrücke von den Mitgliedstaaten sofort übermittelt und verglichen werden. Die Daten von Asylbewerbern sollen zehn Jahre lang gespeichert werden; die von Ausländern, die beim illegalen Grenzübertritt erwischt werden, zwei Jahre. Die illegale Einreise kann nicht nur direkt an der Grenze festgestellt werden. Auch wenn ein Ausländer später in einem Zug oder versiegelten Fahrzeug gefunden wird, sollen ihm die Fingerabdrücke abgenommen werden. Fingerabdrücke von Menschen, die sich bereits illegal in einem Land aufhalten, können nach Brüssel gemeldet werden, um feststellen zu lassen, ob sie bereits in einem anderen Staat einen Asylantrag gestellt haben. Ihre Daten werden nicht gespeichert.