Frankfurter Rundschau 20.11.1999

Innenminister wollen Kosovo-Albaner nächstes Jahr abschieben

Bund und Länder vereinbaren Stichtags-Regelung für abgelehnte Asylbewerber / Viele Flüchtlinge ausgeschlossen

Von Bernhard Honnigfort

Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich am Freitag auf eine Stichtags-Regelung für abgelehnte Asylbewerber geeinigt. Außerdem beschlossen sie, im nächsten Jahr die Kosovo-Flüchtlinge zurückzuschicken. Das Asylrecht in der Europäischen Union müsse mit dem Ziel einer "gerechteren Lastenverteilung" zügig harmonisiert werden.

GÖRLITZ, 19. November. Die in Görlitz vereinbarte Altfall-Regelung sieht vor, dass abgelehnte Flüchtlingsfamilien zwei weitere Jahre in Deutschland bleiben können, wenn sie vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind und keine Sozialhilfe benötigen. Für Alleinstehende und Paare ohne Kinder ist der Stichtag 1. Januar 1990. Die Regelung betrifft Menschen, die trotz ihres abgelehnten Asylantrages nicht ausgewiesen werden können, etwa weil ihr Herkunftsland sie nicht wieder aufnehmen will. Sachsens Innenminister Klaus Hardraht (CDU) schätzte, dass etwa 20 000 Menschen die Bedingungen der Regelung erfüllen. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) ging von einer niedrigeren Zahl aus, ohne dies zu konkretisieren. Er sagte, er hätte es lieber gehabt, eine Regelung ohne Stichtag zu finden, die nur für einige Länder oder Gruppen gelte.

Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministers Walter Zuber (SPD) gilt die Altfall-Regelung auch für die in Deutschland lebenden Vietnamesen, nicht aber für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien und Herzegowina sowie Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien einschließlich Kosovo.

Im kommenden Frühjahr wollen die Innenminister "in erheblichem Umfang" Kriegsflüchtlinge aus Kosovo ausweisen. Ende des Jahres solle die Rückführung der Kosovo-Albaner "im Wesentlichen" abgeschlossen sein. "Die größte Zahl der hier lebenden Kosovo-Flüchtlinge sollte dann zurückgeführt sein", sagte Beckstein.

So bald wie möglich wollen die Innenminister die Zahl der deutschen Polizisten in Kosovo aufstocken. Auf Anregung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) werde man zusätzlich zu den in Kosovo eingesetzen 210 Beamten weitere 210 Polizisten schicken, kündigte Hardraht an. 140 Beamte würden die Bundesländer stellen, 70 kämen vom Bundesgrenzschutz.

Die beschlossene Altfall-Regelung für abgelehnte Asylbewerber sieht im Detail so aus: Die Aufenthaltsbefugnis für Familien wird um zwei Jahre verlängert, wenn der Lebensunterhalt der Familie "durch legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Mittel der Sozialhilfe gesichert" ist. Davon abweichend können in "besonderen Härtefällen" Ausnahmen gemacht werden. Die Familie muss über "ausreichenden Wohnraum" verfügen, und schulpflichtige Kinder müssen die Schule besuchen. Außerdem darf der betreffende Flüchtling während seines Aufenthalts in Deutschland "keine vorsätzliche Straftat" begangen haben.

Schily nannte die Vereinbarung "vernünftig". Er sagte, sie entspreche zwar nicht allen Wünschen, helfe aber "Menschen, die ohne eigenes Verschulden nicht ausreisen können". Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), sprach von einem Teilerfolg für die Integration. Für viele Flüchtlinge ohne Rückkehrmöglichkeit bedeute dies, dass sie nicht länger auf gepackten Koffern sitzen müssten, sagte sie laut Agenturen in Berlin. Ein wichtiges Signal sei die Einbeziehung vietnamesischer Staatsangehöriger. Die Zahl der Ausländer, auf die die Regelung zutreffe, bleibe aber hinter den Erwartungen zurück.