Die Welt, 19.11.99

Vorentscheidung für Panzerverkauf gefallen?

Ankara signalisiert Bundesregierung Interesse an 1000 Leo 2 - Glogowski intervenierte bei Schröder

Von Michael J. Inacker

Berlin - In der Türkei ist offenbar eine Vorentscheidung über die Anschaffung von 1000 Leopard-2-Panzern gefallen. Diese Einschätzung ist der Arbeitsebene der Bundesregierung nach Informationen der WELT aus dem türkischen Verteidigungsministerium signalisiert worden.

Bislang konnte die rot-grüne Regierungskoalition den weiterhin schwelenden Konflikt um die Waffenlieferung noch mit dem Hinweis eindämmen, eine abschließende Entscheidung über die Lieferung falle erst nach den Tests, bei denen auch Panzer aus anderen Ländern antreten.

Die Signale an das deutsche Verteidigungsministerium und das Kanzleramt aus Ankara beinhalten jedoch, dass die türkischen Streitkräfte den deutschen Leopard bevorzugen. Deutsche Rüstungsexperten sehen das Geschäft jetzt höchstens noch durch direkte Einflussnahme der amerikanischen Regierung gefährdet. Vermutet wird, dass US-Präsident Bill Clinton dieses Thema während seines Türkei-Besuchs angesprochen hat.

Wie aus Regierungskreisen außerdem zu erfahren war, haben führende SPD-Politiker im Vorfeld der Entscheidung vom Oktober bei Bundeskanzler Gerhard Schröder interveniert, um das Waffengeschäft zu ermöglichen.

Vor allem der niedersächsische SPD-Ministerpräsident Glogowski und Schröder-Vertraute hat sich mit dem Arbeitsplatzargument für die Lieferung stark gemacht. Im niedersächsischen Unterlüß liegt eine Munitionsfabrik von Rheinmetall mit rund 1000 Mitarbeitern.

Bei Gesprächen am Rand einer Veranstaltung zum 100-jährigen Bestehen des Werks Unterlüß am 3. September 1999 hat Glogowski angekündigt, sich bei Schröder nicht nur für die Freigabe eines Testpanzers, sondern auch für den späteren Export von 1000 Leopard-Panzern einzusetzen.

In seiner Rede vor der Belegschaft sagte Glogowski, es sei eine politische Aufgabe, den Standort "für großkalibrige Waffen" zu erhalten.

Für den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Helmut Wieczorek (SPD), sind Rüstungs- und Ausbildungshilfen für die Türkei ein wichtiges Instrument der Krisenvorbeugung. Dies hat er nicht nur gegenüber seiner Partei verdeutlicht, sondern auch in einem internen Informationsdienst des Förderkreises deutsches Heer. Dort schrieb er jüngst, man müsse die "Ausbildungs- und Ausrüstungsunterstützung" in Staaten wie der Türkei oder auch in der Golfregion "instrumentalisieren, um über enge militärische Kooperation die erforderliche Stabilität" dieser Staaten zu erreichen.

Der Betriebsrat des Wehrtechnikunternehmens Krauss-Maffei-Wegmann hat sich inzwischen bei Bundeskanzler Schröder für seine "Zustimmung zur Erprobung des Kampfpanzers in der Türkei" bedankt.