Die Welt, 18.11.99

Härtefallregelung für Asylbewerber weiter umstritten

Chaos durch Staatsbürgerschaftsrecht befürchtet

Von Christian Bauschke

Berlin - Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich noch nicht auf eine neue Härtefallregelung für Asylbewerber geeinigt. Es gebe lediglich Vorschläge einzelner Bundesländer, hieß es aus dem Bundesinnenministerium, das damit einen Bericht der "Frankfurter Rundschau" zurückwies. Das Blatt hatte berichtet, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe habe sich auf eine restriktive Altfallregelung verständigt. Demnach sollen Asylbewerber- und Flüchtlingsfamilien mit minderjährigen Kindern eine befristete Aufenthaltsbefugnis bekommen, wenn sie mindestens seit Juli 1993 in Deutschland leben.

Demgegenüber sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) der WELT: "Da kein gemeinsamer Beschlussvorschlag für die Innenministerkonferenz zu Stande gekommen ist, werde ich mit dem Stichtag 1. Januar 1993 für Familien und Alleinerziehende mit Kindern in die Diskussion gehen." Davon könnten in Nordrhein-Westfalen etwa 6000 Flüchtlinge profitieren. Je weiter der Stichtag zurückverlegt wird, desto weniger Menschen kommen in den Genuss der befristeten Aufenthaltsbefugnis. Vom heutigen Donnerstag bis morgen berät in Görlitz die Innenministerkonferenz.

Ein Sprecher des bayrischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) erklärte, sein Land halte eine neue Härtefallregelung für "unnötig". Als Kompromiss bietet Bayern ein "Gruppenmodell" mit Stichtagsregelung an, dass ein vorübergehendes Bleiberecht für Flüchtlinge aus acht Staaten "von A wie Afghanistan bis S wie Syrien" vorsieht. Eine Rückführung in diese Länder sei "problematisch bis unmöglich". Kurden und Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien zählen nach den Vorstellungen aus Bayern nicht zu diesen Ausnahmen.

Beobachter sehen das Klima der Gespräche durch die jüngsten Äußerungen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zum Asylrecht belastet. Schily hatte erklärt, nur drei Prozent der Asylbewerber seien "asylwürdig", Beim Rest von 97 Prozent handele es sich dagegen um Wirtschaftsflüchtlinge. Die Grünen-Vorstandssprecherin Antje Radcke hatte diese Äußerung als "absolut unverantwortlich" bezeichnet, weil Schily "mit falschen Tatsachen" hantiere. Schily hatte sich auf Zahlen des zuständigen Bundesamts in Nürnberg gestützt, wonach von 147 391 Asylbewerbern im vorigen Jahr 5883 Personen anerkannt wurden. Das sind 3,99 Prozent.

Schilys bayerischer Amtskollege Beckstein dagegen unterstützte den grünen Bundesinnenminister: "Schily hat recht." Es könne doch nicht richtig sein, dass der Staat jahrelang für Versorgung und Gerichtsverfahren der übrigen 97 Prozent aufkommen müsse.

Auf der Tagung der Innenminister soll auch über die Rückführung von Kosovo-Albanern gesprochen werden. Hier tragen die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Berlin die Hälfte der Last. Unterdessen fordern die Kommunen von den Innenministern, sich auf verbindliche Ausführungsbestimmungen für das neue Staatsbürgerschaftsrecht zu verständigen. Es tritt am 1. Januar 2000 in Kraft. Bis zu einer Million Anträge werden allein im Jahr 2000 erwartet. "Wir befürchten ein Chaos", sagte Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindetag.