jw, 18.11.99

Nicht geschossen, nur Loopings geflogen

Grüne bestätigte Tiger-Lieferung an Türkei. Entscheidung erst im Mai 2000

Die Lieferung von Tiger-Kampfhubschraubern in die Türkei wurde von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Kerstin Müller, bestätigt. Zur Anzahl wollte sie sich am Dienstag abend im Hessen-Fernsehen allerdings nicht äußern. Sie unterstrich jedoch, daß sie und ihre Parteifreunde die Entscheidung als falsch bewerteten; der Weg der Türkei nach Europa könne nicht über Waffen führen.

In der gleichen Sendung sprach sich der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) dafür aus, auf Waffenexporte in die Türkei ganz zu verzichten, wenn es die Bundesregierung schaffe, das westliche Bündnis auf einen ebensolchen Kurs zu bringen. Koch weigerte sich allerdings, aus der »moralisch geprägten« Debatte in Deutschland heraus Arbeitsplätze in Kassel zu vernichten und sie in New York entstehen zu sehen.

Noch in der letzten Woche hatte auch die bündnisgrüne Verteidigungsexpertin Angelika Beer keine Möglichkeit mehr gesehen, den drohenden Export des in deutsch- französischer Kooperation gebauten zweisitzigen Kampfhubschraubers an Ankara zu verhindern. Da die Franzosen den Hauptanteil an dem Projekt haben, sei es »egal«, ob Deutschland seine Zustimmung verweigere. Für die Grünen schon die zweite Schlappe nach dem Einknicken beim Leopard-Panzer.

Das Eurocopter-Konsortium ist zu 70 Prozent im Besitz der französischen Aerospatiale. Durch diese Konstruktion kann die Ausfuhr über Frankreich abgewickelt werden, das Profit und nationale Interessen in der Regel über Rüstungsexportbeschränkungen stellt. Mit diesem außenwirtschaftlichen Bonus haben französische Rüstungkonzerne in den letzten Jahren deutschen Konkurrenten auf dem Weltmarkt etliche Aufträge weggeschnappt.

Ein Sprecher der deutschen Filiale des Tiger- Produzenten Eurocopter in Donauwörth wollte am Mittwoch gegenüber junge Welt nicht bestätigen, daß es bereits feste Verträge mit der türkischen Seite gibt. »Zur Zeit läuft eine Ausschreibung, bei der alle großen Hubschrauberproduzenten der Welt in der Türkei ihre Maschinen vorführen«, so Eurocopter. Der Tiger müsse sich dort gegen den »Schwarzen Hai« der russischen Firma Kamow, die italienische Mangusta sowie die amerikanischen Hubschrauber AH-64 Apache und AH-1 Cobra behaupten. Eine Entscheidung werde da »nicht vor Mai, Juni 2000 fallen«. Ein Exemplar des Tiger sei bereits von der französischen OCCAR Division Tiger in der Türkei mit französischen Testpiloten vorgeführt worden. »Wir sind dabei nur geflogen, es wurde nicht geballert«, so der Sprecher. Eurocopter versucht hier augenscheinlich, nicht in den Strudel der mit dem Leopard losgetretenen Rüstungsexportdiskussion zu geraten.

Über eine positive Entscheidung der Türken würde man in den Herstellerwerken aber mit Sicherheit jubeln. Schließlich sind bisher erst Verträge über jeweils 80 Tiger für die französischen Streitkräfte und die Bundeswehr unter Dach und Fach. Rund fünf Milliarden Mark wird die Beschaffung die Bundeswehr kosten. 2002 soll die erste Lieferung an das deutsche Heer erfolgen. Ein Okay über voraussichtlich 145 Tiger für die Türkei würde bei Eurocopter das bisherige Auftragsvolumen glatt verdoppeln. Die Chancen dafür stehen gut, zumal die Türken ein Auge auf den Tiger geworfen haben und auch Eurocopter die Maschine für den »besten Kampfhubschrauber der Welt« hält. Kaum einer sonst könne solche Loopings fliegen. Bisher war der Tiger manchem Land aber einfach zu teuer. Südafrika etwa winkte ab. Trotzdem soll es Kaufüberlegungen in Australien und Spanien geben.

Bernd Verter