Die Presse (Wien), 17.11.99

DIE "PRESSE"-MEINUNG

Penetrante Einmischung

VON ANDREAS SCHWARZ

Man stelle sich vor, ein europäischer Staats- oder Regierungschef vom Kaliber, sagen wir, Blair oder Chirac reist in die USA und gibt ebendiesen öffentlich Ratschläge: etwa, den Kuba-Boykott zu beenden, die Menschenrechte zu achten (Stichwort: Todesstrafe) oder die Grenzen zu Mexiko durchlässiger zu machen. Umgekehrt geschieht das penetrant: Die USA werden nicht müde, der EU zu empfehlen, die Türkei endlich aufzunehmen, und Präsident Clinton brachte diese Forderung den Türken quasi als Einstandsgeschenk für seine Europareise gleich persönlich mit. Nun ist das Interesse der Amerikaner an der Türkei bekannt; die Sorge vor dem türkischen Abdriften von Europa auch; und es stimmt wohl, daß ein Staat wie die Türkei mit ihrem problematischen Zugang zu den Themen Menschenrechte, Kurden und Zypern eher durch Streicheln als durch Ausgrenzung auf den rechten Weg zu bringen ist. Nur ob die Türkei Teil der EU sein soll oder nicht, geht die USA eigentlich gar nichts an.