fr, 17.11.99

Kommentar: Politischer Altfall

Jetzt nähern sich die Innenminister von Bund und Ländern in Sachen Abschiebepraxis einer halbherzigen Lösung

Von Pitt von Bebenburg

Zu lange schon müssen sie in Unsicherheit ausharren: Familien aus Bosnien, Vietnamesen, Kurden, die seit Jahren oder gar Jahrzehnten in Deutschland leben. Familien, die sich längst in der Bundesrepublik eingerichtet haben; Menschen, die hier arbeiten und Freunde haben; Kinder, die hier aufgewachsen sind und zur Schule gehen.

Die rot-grüne Koalitionsvereinbarung hatte ihnen Hoffnung auf eine "Altfallregelung" gemacht, die ein würdiges Leben ohne Furcht vor Abschiebung sichern sollte. Das ist mehr als ein Jahr her, und inzwischen ist das Thema selbst zum politischen Altfall geworden. Jetzt nähern sich die Innenminister von Bund und Ländern einer halbherzigen Lösung. Die kommt zu spät für etliche, die das Pech hatten, im falschen Bundesland zu leben; sie wurden auch in den vergangenen Monaten noch von Hardlinern unter den Innenministern abgeschoben. Doch weiterhin hoffen Zehntausende auf ein Zeichen der Menschlichkeit, das von der Innenminister-Konferenz in dieser Woche ausgehen könnte.

Die Unsicherheit, sie bleibt bis zuletzt. Bund und Länder wollen Bosnier und Vietnamesen nicht schützen. Bayern treibt es noch bunter: Dem Freistaat wären Afghanen und Syrer genehm, aber zum Beispiel keine Flüchtlinge aus Togo oder Kurden aus der Türkei und Irak.

Diese Willkür, die keinen anderen Grund hat als den Versuch, die Zahl der Berechtigten möglichst gering zu halten, ist absurd. Eine großzügige "Stichtagsregelung" ist geboten!