Berliner Morgenpost, 28.10.99

Was die Ächtung der C-Waffen bewirkte

BM/iri Berlin - Im ersten Weltkrieg, am Nachmittag des 22. April 1915, öffneten deutsche Pioniere nahe dem belgischen Ypern die Ventile von 5000 Stahlflaschen. Der Wind trieb den weißblauen Todesnebel auf die Schützengräben der Franzosen zu - der erste systematische Einsatz chemischer Kampfstoffe. Monate später setzten Briten und Franzosen Chlorgas ein. Der lautlose Giftkrieg forderte 100 000 Todesopfer, eine Million Geschädigte.

Als Folge der grauenhaften Erfahrungen des Gaskrieges wurde am 17. Juni 1925 das Genfer Protokoll unterzeichnet, das den Einsatz von Gasen, giftigen Substanzen oder Bakterien verbietet. Weitere völkerrechtliche Verträge folgten: 1975 trat die Internationale Konvention zum Verbot biologischer und toxischer Waffen in Kraft, die bis 1985 von 103 Staaten unterzeichnet wurde. 1993 trat nach jahrelangen Verhandlungen das Abkommen zum Verbot von C-Waffen von 160 Staaten unterzeichnet. 1997 trat es in Kraft: Es verbietet den Einsatz von C-Waffen ebenso wie deren Entwicklung, Produktion und Lagerung. Innerhalb von zehn Jahren sollen alle Altbestände vernichtet sein. Die C-Waffen-Konvention ist der erste internationale Abrüstungsvertrag, mit dem eine ganze Gattung von Massenvernichtungswaffen verboten wurde. Aber Erfahrungen mit der Umsetzung bisheriger Verträge lassen zweifeln:

o In den 20er Jahren setzten Türken Gas gegen Kurden ein, Franzosen verjagten Hundertausende Marokkaner und Algerier mit Gas.

o In den 40er Jahren stellte I.G. Farben Zyklon B als Vernichtungsmittel für die KZ her: Millionen Tote.

o In den 60er und 70er Jahren versprühten US-Truppen das Entlaubungsgift «Agent Orange» in Vietnam: Tausende Zivilopfer.

o Iran und Irak bekämpften sich im ersten Golfkrieg mit Kampfgasen. 1988 ließ Saddam Hussein Giftgas gegen kurdische Zivilisten in Halabdscha einsetzen: 5000 Tote.

o Ende der 80er Jahre wurde bekannt, dass deutsche Firmen am Bau mehrerer Giftgasfabriken für Libyen und Irak beteiligt sind, unter anderem Imhausen-Chemie in Lahr.

o Gas-Terror: Bei einem Sarin-Anschlag in der Tokioter U-Bahn starben 1995 12 Menschen. Schuldig: Aum-Sektenführer Shoko Asahara.