yahoo, 27. Oktober 1999, 20:15 Uhr

Verzögerung bei Neuregelung der Waffenexporte

Kritik Kinkels an Nachfolger - Streit in Berlin zeigt in der Türkei Wirkung - Auch Hilfe im Chemiewaffenbereich

Berlin/Ankara (AP) Einen Tag nach dem Kompromiss der Regierungsparteien zur deutschen Teilnahme am türkischen Panzerwettbewerb stockt das weitere Verfahren. Die Verteidigungsexpertin der Bundestagsfraktion der Grünen, Angelika Beer, sagte am Mittwoch in Berlin, die vereinbarte Neufassung der Exportrichtlinien beginne jetzt erst im November. Als weitere deutsche Militärhilfe für die Türkei wurden der Aufbau eines Labors für die Analyse chemischer Waffen sowie die Lieferung von sechs Minenräumbooten bekannt, die von den Grünen gebilligt wurden.

Die erste Sitzung der so genannten Vorbereitungsgruppe aus Regierungsexperten und Vertretern von SPD und Grünen zur Verschärfung der Exportrichtlinien findet nicht mehr wie ursprünglich geplant am (morgigen) Donnerstag statt. Laut Beer wurde die Sitzung auf die erste Novemberwoche verschoben. Der von den Grünen abgelehnte Beschluss des Bundessicherheitsrates über die Lieferung eines Testpanzers in die Türkei habe gezeigt, wohin übereilte Maßnahmen führten, sagte die Abgeordnete.

Der frühere Bundesaußenminister Klaus Kinkel warf seinem Nachfolger Joschka Fischer in der Panzeraffäre «riesige handwerkliche Fehler» vor. Im Südwestrundfunk sagte er, nie zuvor habe es im Sicherheitsrat eine Mehrheitsentscheidung gegen den Koalitionspartner gegeben, anderenfalls wäre der Rücktritt des unterlegenen Ministers fällig gewesen.

Die Entschlossenheit bei den Grünen, die Abgabe eines Testpanzers hinzunehmen, aber eine Auslieferung in großem Stil zu verhindern, zeigte unterdessen in der Türkei Wirkung. Die einzige englischsprachige Zeitung der Türkei, «Daily News» (Mittwochausgabe), berichtete unter Berufung auf das Beschaffungsamt in Ankara, die Kontroverse in Berlin habe die Chancen Deutschlands verringert, den Zuschlag zu bekommen.

Die Beschaffung von rund 1.000 Panzern der dritten Generation sei mit einem geplanten Volumen von sieben Milliarden Dollar das größte Rüstungsprojekt in der Geschichte des Landes, hieß es. Neben einem deutschen Leopard 2 in der A5-Ausführung für Schweden, aber mit modernster Rheinmetall-Kanone sollen an dem Test ein Abrams M1A2 aus den USA, ein französischer Leclerc und der ukrainische Tank T-80D teilnehmen. Allein die eigens aufgebaute Teststrecke habe bisher 800.000 Dollar verschlungen, berichtete das Blatt. Der US-Testpanzer ist nach Angaben der Londoner Verteidigungsexperten von «Jane's Defence Weekly» ebenfalls mit einer Kanone von Rheinmetall ausgerüstet.

«Kein Verstoß gegen Chemiewaffenverbot»

Die Verteidigungspolitiker der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen, Walter Kolbow und Angelika Beer, sagten, das von der Türkei gewünschte Labor für die Analyse chemischer Kampfstoffe habe ausschließlich defensiven Charakter. Deutsche Hilfe beim Aufbau eines solchen Labors, das dem Schutz der eigenen Bevölkerung diene, verstoße nicht gegen das Chemiewaffenverbot.

Bei dem Labor handele es sich weder um eine Waffe noch um eine Einrichtung zur Herstellung von Waffen. Nachbarstaaten der Türkei verfügten nachweislich über Chemiewaffen und hätten sie auch schon eingesetzt. Außerdem genehmigte die Bundesregierung die Auslieferung von sechs Minensuchbooten. Dem steht nach Auffassung der Grünen nichts entgegen, da die Boote nicht gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden könnten.