Berliner Zeitung, 26.10.99

Zweitgutachten bei Folteropfern oft fehlerhaft

Behandlungszentren fordern besseres Aufenthaltsrecht

Einen gesicherten Aufenthaltsstatus für traumatisierte Flüchtlinge hat die Arbeitsgemeinschaft der Behandlungszentren für Folteropfer am Wochenende gefordert. Nur dann könne eine sinnvolle Therapie erfolgen, sagte die Vorsitzende Elise Bittenbinder bei einer Konferenz in Berlin.

Flüchtlinge, die als traumatisiert anerkannt werden, erhalten in Deutschland lediglich eine befristete Duldung, die immer wieder verlängert werden muss. Dies erschwere eine längerfristige Behandlung, sagte Bittenbinder.

Besonders in Berlin komme es immer öfter vor, dass Gutachten von Ärzten und Behandlungszentren in Frage gestellt würden, um Flüchtlinge abschieben zu können. "Bei den Zweitgutachten des polizeiärztlichen Dienstes werden nachweislich therapeutische Kunstfehler begangen", sagte Bittenbinder. In vielen Fällen würden die Menschen durch diese Untersuchungen "in Verhörsituationen" ein zweites Mal traumatisiert.

Zurzeit befinden sich nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft in Deutschland rund 1 000 Flüchtlinge wegen Ängsten, Depressionen und übersteigerter Nervosität, die durch Verfolgung, Folter oder Vergewaltigung ausgelöst wurden, in psychotherapeutischer Behandlung. Dabei handele es sich meist um Bosnier, Kosovo-Albaner und Kurden. Die psychosozialen Zentren seien "überlaufen". (lo.)