Westfälische Nachrichten, 27.10.99

Grüne glauben an Etappensieg im Streit um Panzerlieferung

Berlin (dpa) - Richtig skeptisch äußerte sich nur die Grünen- Fraktionslinke Annelie Buntenbach. «Das klingt mehr nach einer Sprachregelung als nach einem Kompromiss», kommentierte sie am Dienstag das Ergebnis der nächtlichen Koalitionsrunde zum Streit um Panzerlieferungen an die Türkei.

«Besser als nix» fand dagegen Michaele Hustede. Positiver sah es der Alt-Linke Hans-Christian Ströbele. Wie alle namhaften Grünen- Politiker hält er die genehmigte Lieferung eines Testpanzers an die Türkei für falsch. «Viel viel wichtiger sind aber die 1 000 Panzer, die auf keinen Fall in die Türkei dürfen». Die Grundlage dafür sieht Ströbele wie andere Fraktionskollegen seit Dienstag morgen als verbessert an. Es sei nun geklärt, dass die Beachtung der Menschenrechte im Zusammenhang mit Rüstungsexporten «auch für Nato- Staaten gelten muss», sagte die Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführerin Kristin Heyne.

Für die Grünen ist nun eindeutig vereinbart, dass die Türkei Panzer aus Deutschland nur bekommen kann, wenn «es ganz klare und überprüfbare Fortschritte in der Menschenrechtspolitik» gebe. Außerdem sollen nach ihrer Darstellung die Richtlinien für Rüstungsexporte verschärft werden.

Ströbele ist glücklich, dass Fraktion und Partei in der Frage der Rüstungsexporte - einem Herzstück des grünen Selbstverständnisses - an einem Strang gezogen haben. Häufiges Fehlen solcher Einigkeit hatte er jüngst noch bei einem Treffen der Grün-Linken und beim Länderrat seiner Partei in Magdeburg vermisst. In der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt hatten die Delegierten ihr bundespolitisches Spitzenpersonal auch deutlich aufgefordert, in der Koalition sichtbar für die eigenen Positionen zu kämpfen. Ströbele glaubt, dass die Basis der Partei in der Frage Menschenrechte und Waffenlieferungen aktiv und unruhig bleiben wird.

Für den jetzigen Etappenerfolg scheinen die Grünen bereit, ihre Niederlage bei der Genehmigung des Testpanzers wegzustecken. Im Bundessicherheitsrat war der grüne Außenminister Joschka Fischer zusammen mit Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) überstimmt worden, als es darum ging, den Panzerhersteller Krauss- Maffei Wegmann in Ankara mitbieten zu lassen.

Koalitionsstreitigkeiten seien nie angenehm, befindet Kerstin Müller. Aber jetzt müsse man «nach vorn blicken». Dafür seien in der Nacht zum Dienstag die Grundlagen gelegt worden. Als «völlig unverständlich» wischt Müller Fragen beiseite, ob Joschka Fischer durch den ganzen Vorgang beschädigt sei. Die Verteidigungsexpertin Angelika Beer meint, nicht Fischer sei beschädigt, sondern der Geist des Koalitionsvertrages von SPD und Grünen. Sie ist zwar bereit, den jüngsten Kompromiss mitzutragen, warnt aber die SPD. Der kleine Koalitionspartner dürfe in Fragen, «wo es um Herzblut geht», nicht überstimmt werden. «Solche Fehler dürfen nicht wiederholt werden. Sonst hätten wir wirklich ein Problem.»

Einer der wenigen Grünen, die sich an diesem Dienstag nicht zum Thema äußern, ist Joschka Fischer. Stumm rauscht er an Dutzenden von Fernsehkameras und Radio-Mikrofonen vorbei in den Fraktionssaal.