Westfälische Nachrichten, 27.10.99

Friedensforscher: Panzerlieferung ist falsches Signal

Hamburg (dpa) - Die Lieferung eines deutschen Test-Panzers an die Türkei ist nach den Worten des Hamburger Friedensforschers Hans- Joachim Gießmann ein falsches politisches Signal.

«Die türkische Regierung wird dadurch kaum ihre Bemühungen um die Einhaltung der Menschenrechte verstärken», sagte Gießmann am Dienstag in Hamburg in einem dpa-Gespräch. «Ich gehe eher davon aus, dass der Druck auf die Militärs im Land durch dieses Angebot sogar nachlassen wird.»

Die Kopplung von Waffenlieferungen an die Forderung, etwas für die Menschenrechte zu tun, sei unglücklich, sagte der Wissenschaftler. «Die Einhaltung der Menschenrechte muss eine prinzipielle Voraussetzung für Waffenlieferungen sein.» Auch die Versicherung, die Lieferung des Testpanzers entscheide noch nicht über das geplant Geschäft mit 1 000 Panzern, halte er für unglaubwürdig. «Wer wird schon A sagen, wenn er nicht bereit ist, auch B zu sagen.»

Nach Gießmanns Worten besteht die Gefahr, dass die Türkei - auch durch die Hilfe Deutschlands - langfristig zum Exporteur von Waffen und Militärgerät auf dem Weltmarkt werden kann. «Die Türkei ist schon seit Jahren dabei, mit Hilfe anderer Länder eine leistungsfähige Rüstungsindustrie aufzubauen.» Schließlich sollten die 1 000 Panzer in Lizenz in der Türkei produziert werden.

«Über den Umweg Türkei kann militärtechnisches Wissen aus der Bundesrepublik künftig in Gebiete geliefert werden, in die Deutschland selbst keine Waffen exportieren würde», sagte Gießmann. Beispiele seien «die Gebiete südlich von Russland, wo die Türkei als natürlicher Verbündeter gesehen wird, oder der Nahe Osten».

Gießmann bezweifelte auch die beschäftigungspolitische Wirkung von Panzerlieferungen an die Türkei. «Die 6 000 Arbeitsplätze, die von diesen Lieferungen abhängen sollen, wären nur vorübergehende Stellen.» Schließlich solle es sich um den Aufbau einer Lizenzproduktion handeln. Dauerhafte Arbeitsplätze würde nur in der Türkei entstehen.

Der Kriegswaffenexport habe für Deutschland volkswirtschaftlich einen eher geringen Stellenwert, sagte Gießmann. Zudem sei der Anteil der Produktion von Militärgütern bei den führenden Rüstungsfirmen gering. «Bei Daimler-Chrysler als größtem deutschen Rüstungsunternehmen zum Beispiel macht der Rüstungsbereich lediglich vier Prozent aus», sagte Gießmann.

«Die Lieferung von Gütern, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können, sind mit einem Volumen rund 30 Milliarden Mark pro Jahr dagegen bedeutend wichtiger», sagte Gießmann. Nach seinen Angaben arbeiten derzeit in Deutschland rund 120 000 Menschen in der Rüstungsindustrie. Ende der achtziger Jahre seien es 320 000 gewesen.