HAZ, 26.10.99

Pass nur nach einem Deutsch-Test?

Die Bundesregierung hat den Werbefeldzug für ein Produkt gestartet, das es noch gar nicht gibt - und das, wenn es denn zu haben ist, womöglich in den verschiedenen Bundesländern ganz unterschiedliche Preisschilder tragen wird. Seit Montag preist die Ausländerbeauftragte auf Plakaten, in Zeitungsanzeigen und im Internet die zum 1. Januar 2000 vereinfachte Einbürgerung von Ausländern an. 1,5 Millionen Mark gibt Berlin für die "Aufklärungskampagne" aus und hofft, auf diese Art im kommenden Jahr "eine Million neue Staatsbürger hinzuzubekommen". Doch bislang haben sich die Bundesländer nicht auf einheitliche Regeln zur Durchführung des reformierten Staatsbürgerschaftsrechts einigen können.

"Ich bin ein Berliner", versichert der kleine Türke auf einem der Plakate. Zu "typisch deutsch" wird das asiatisch-europäische Paar ebenso erklärt wie die junge Schwarze zwischen zwei hellhäutigen Frauen. Die Botschaft der Ausländerbeauftragten Marieluise Beck (Grüne): Möglichst viele der 7,3 Millionen Ausländer sollen nicht nur zum deutschen Straßenbild gehören, sondern fest in die Gesellschaft eingebunden sein. Deshalb will Beck mit der Werbeaktion die "Anspruchsberechtigten" ermuntern, am 1. Januar 2000 zuzugreifen. Dann wird das bisherige Abstammungsrecht durch das "Geburtsrecht" ersetzt: Von den rund 100 000 Kindern ausländischer Eltern, die jedes Jahr hier zu Lande geboren werden, können dann die meisten automatisch Deutsche werden. Schneller und unkomplizierter können auch lange hier lebende Erwachsene einen deutschen Pass bekommen.

Doch die Werbeoffensive soll - das zeigt die eigens eingerichtete Internet-Seite zum Thema (www.einbuergerung.de) - vor allem Deutsche von der Notwendigkeit der Reform überzeugen. Da appelliert Beck an das Ehrgefühl der Inländer und präsentiert ihnen das neue Staatsbürgerrecht als eine Möglichkeit, "unsere Gesellschaft fairer, gerechter und toleranter zu gestalten".

Die unionsregierten Länder haben hingegen Vorbehalte. Sie haben den Bundesratsbeschluss zur Reform im Mai genauso wenig verhindern können wie die Unterschrift von Bundespräsident Johannes Rau (SPD) kurz nach seinem Amtsantritt. Jetzt kämpfen sie für schärfere Verwaltungsvorschriften. Hauptstreitpunkt ist die Überprüfung der Verfassungstreue von Einbürgerungswilligen. Am 2. November soll in Berlin erneut darüber verhandelt werden. Gelingt der Konsens nicht, sind Ungerechtigkeiten bei der Behandlung der Anträge programmiert.

Unterschiedlich sind die Anforderungen an die Sprachkenntnisse. Während Baden-Württemberg beispielsweise eine "Überprüfung in Wort und Schrift fordert", will Nordrhein-Westfalen sich damit zufrieden geben, wenn der Ausländer "sich ohne Dolmetscher bei den Behörden verständigen kann".

Susanne Iden, Hannover