Handelsblatt, 26.10.99

SPD und Grüne suchen nach Ausweg aus Koalitionskrise

Offenbar schärfere Richtlinien für Rüstungsexporte geplant - Spannung vor Sitzung des Koalitionsausschusses

ap BERLIN. SPD und Grüne wollen offenbar schärfere Richtlinien für Rüstungsexporte festlegen und damit einen Ausweg aus ihrem Streit um die Lieferung eines Kampfpanzers an die Türkei suchen. Das wurde am Montag vor der Sitzung des Koalitionsausschusses deutlich, der sich am Abend in Berlin mit dem von den Grünen heftig kritisierten Rüstungsgeschäft befassen wollte. Bundesumweltminister Jürgen Trittin pochte erneut auf Einhaltung des Koalitionsvertrages, in dem sich das rot-grüne Bündnis zu einer an den Menschenrechten orientierten Außenpolitik verpflichtet hätten.

SPD-Fraktionsvize Gernot Erler äußerte "bis zu einem gewissen Grad" Verständnis für die Empörung der Grünen. Im WDR kündigte er an, er wolle sich noch am Morgen im geschäftsführenden Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion für die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe stark machen, die die Leitlinien für Rüstungsexporte überarbeiten soll. "Das wäre ja ein erstes Stück konstruktive Bearbeitung dieses Konflikts. Und dann rechnen wir eigentlich damit, dass es heute Abend im Koalitionsgespräch zu einer Verständigung kommt", sagte Erler.

Am Vormittag trafen die Verteidigungs- und Außenpolitiker der Grünen zusammen, um die Haltung der Partei im Koalitionsausschuss festzuklopfen. Ergebnisse der Unterredung sollten nicht bekannt gegeben werden. Die Grünen-Politikerin Claudia Roth verlangte, in der Koalitionsrunde am Abend generell strengere Beschränkungen für Rüstungsexporte zu erörtern. Nötig seien neue Richtlinien, die sich stärker an der Menschenrechtssituation in dem jeweiligen Land orientierten und ein transparenteres Beschlussverfahren ermöglichten, sagte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag.