taz Bremen, 25.10.1999 Seite 21

Kurdenhatz bei Hochzeit im Rathaus

Emder Ausländerbehörde stellt kurdischer Familie eine Falle / Geplante Hochzeit im Rathaus sollte genutzt werden, um Familienmitglieder zwecks Abschiebung mit Staatsgewalt festzuhalten

Es hätte alles so schön sein können: Kurdischer boy trifft deutsches girl. Sie verlieben sich und wollen heiraten. Doch dann wartet statt eines Spaliers fröhlich feiernder Hochzeitsgäste ein halbes Dutzend Zivilfahnder auf das Brautpaar. So geschehen im Emder Rathaus vergangene Woche nach der Trauung des Kurden Bahattin Aslan mit seiner deutschen Braut. Aslans Familie lebt in Oldenburg im Kirchenasyl.

Die Ausländerbehörde wollte die Hochzeit nutzen, um die Kurden festzunehmen und in die Türkei abzuschieben. Statt der ganzen Familie erschienen aber nur der Bräutigam, seine Angetraute und sein 15jähriger Bruder Mehmet. Dem gelang die Flucht aus dem Emder Rathaus. Der Bräutigam selbst konnte nicht verhaftet werden. Er hat eine juristisch solide Aufenthaltsduldung.

Aus Angst vor einer Verhaftung reiste die übrige Familie Aslan erst gar nicht an. Vater Aslan lebt mit drei Kindern im Kirchenasyl in Oldenburg. Die Mutter der Familie ist vor einiger Zeit verstorben. Sohn Bahattin lebt zur Zeit mit Duldung in Deutschland, um seine Ausbildung als KFZ-Mechaniker in Emden zu beenden. Die drei anderen Kinder dürfen nach Aussagen des Unterstützerkreises aus dem Kirchenasyl heraus ihre Schulen besuchen. Obwohl alle Asylersuchen der Aslans bislang abschlägig beschieden wurden, kämpft Vater Aslan vor dem Oldenburger Verwaltungsgericht zur Zeit für eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung.

Auf dieses Verfahren hat die Stadt Emden Einfluss zu nehmen versucht. In einem Brief von letzter Woche bittet die Emder Ausländerbehörde das Gericht, im Verfahren Aslan schnell zu entscheiden. Denn, so kündigt die Behörde an, sie beabsichtige Aslan und seine Kinder von der Trauung weg in Abschiebehaft zu nehmen.

"Das war ein richtiges Komplott, was die Ausländerbehörde sich da zusammengezimmert hat," schimpfte ein Hochzeitsgast. Als nach der Trauung das Hochzeitspaar das Standesamt verlassen wollte, warteten Polizeibeamte in Zivil, um die kurdische Familie in Abschiebehaft zu nehmen. Pech für die Polizei, weil die Familie des Bräutigams ja gar nicht zur Trauung erschienen war. Nur Bahattins 15jähriger Bruder Mehmet war anwesend. Den wollte sich die Polizei greifen. Im Gewühl ist es Mehmet aber gelungen zu fliehen. Die Polizei brach daraufhin die Aktion ab. Der Anwalt der Familie Aslan, Eckehard Hausin: "Die Aktion wurde von der Polizei abgebrochen, als die Beamten merkten, dass sie von der Emder Ausländerbehörde in nicht zu vertretender Weise instrumentalisiert werden sollte." Ein Sprecher der Polizei gegenüber der Presse: "Wir haben der Ausländerbehörde unsere Bedenken mitgeteilt, den Zugriff bei einer Hochzeit zu planen. Aber wir sind gesetzlich gebunden."

Nach der Aktion besuchte ein Teil der Hochzeitsgäste die Ausländerbehörde und verlangte Aufklärung. "Die haben da gesessen und nur gestammelt, die Situation wäre falsch eingeschätzt worden", berichtet eine Freundin der Aslans.

Gegenüber der taz wollte die Ausländerbehörde keine weiteren Auskünfte machen und verwies an den Pressesprecher der Stadt Emden, Harald Loog: "Die Ausländerbehörde wollte den Herrn Aslan und dessen 19jährigen Sohn Osman in Abschiebehaft nehmen lassen. Dazu hatte sie das Recht. Für die beiden minderjährigen Kinder standen andere Aufnahmeorte zur Verfügung." Und weiter:

"Ob der Anlass, die Hochzeit, glücklich gewählt war für einen Zugriff, dazu möchte ich mich nicht äußern. Es geht hier nicht um eine moralische Bewertung sondern um einen rechtlich eindeutig vorgeschriebenen Vollzug. Die Stadt Emden ist nur ausführende Behörde."

Thomas Schumacher