Die Presse (Wien), 25.10.99

Pipeline von Baku ans Mittelmeer: Türkei hofft auf Transitgebühren

Im November soll der Vertrag zwischen der Türkei und Aserbaidschan über den Bau einer Pipeline unterzeichnet werden.

Von unserem Korrespondenten JAN KEETMAN

ISTANBUL. Ein seit vielen Jahren gehegter Wunsch der Türkei wird Wirklichkeit: Auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul Mitte November soll ein Vertrag zwischen der Türkei und dem Aserbaidschan International Oil Consortium (AIOC) über den Bau einer Pipeline von Baku über Georgien und die Türkei ans Mittelmeer unterzeichnet werden. Außer den Einnahmen aus den Transitgebühren hofft die Türkei vor allem auf eine Aufwertung ihrer Rolle als Scharnier zwischen Europa und Asien. Deshalb war sie bereit, dem AIOC bei den Baukosten weitgehend entgegenzukommen. Das Konsortium bezahlt 1 Mrd. Dollar (12,9 Mrd. S/ 940 Mill. Euro) für den Bau der Pipeline durch Aserbaidschan und Georgien, die Türkei 1,4 Mrd. Dollar für die Weiterführung der Linie quer durch die Türkei zum Mittelmeerhafen Ceyhan bei Iskenderun. Die türkischen Zahlen wurden allerdings angezweifelt. Dieses großzügige Angebot hat jedoch nicht allein zum Ausscheiden konkurrierender Streckenführungen geführt. Die beiden großen Konkurrenten, Rußland und Iran, haben sich in letzter Zeit selbst ein Bein gestellt. Die russische Pipeline verläuft von Baku über Grosny zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossisk. Wegen des Tschetschenien-Kriegs ist ein Teil ausgefallen, das Öl muß in Dagestan auf Tankzüge umgeladen werden. Iran hat vor wenigen Tagen ein Angebot Clintons zu einem politischen Dialog abgelehnt. Daher ist eine Realisierung eines Pipeline-Projekts mit Iran in weite Ferne gerückt. Es existiert noch eine weitere Pipeline von Baku zum georgischen Schwarzmeerhafen Supsa. Sie wird seit längerer Zeit instandgesetzt, hat aber eine zu geringe Kapazität. Auch der Hafen von Supsa müßte ausgebaut werden, um mehr Öl verschiffen zu können. Sowohl Georgien als auch das Konsortium fahren mit den nun mit der Türkei ausgehandelten Bedingungen nicht schlechter. Die Entscheidung in der Pipeline-Frage dürfte die siechen Ökonomien der Kaukasus-Staaten Aserbaidschan und Georgien stärken.