HAZ, 25.10.99

Kommentar: Wozu?

In der Debatte um die Lieferung des Testpanzers an die Türkei wird gelegentlich übersehen, dass der Panzertest noch bevorsteht. Deutschland hat in dieser Phase den Kaufauftrag noch keineswegs in der Tasche, so stolz der Panzerbauer Krauss-Maffei auf sein Kampfgerät auch sein mag. Möglicherweise geht der Leo aus allen technischen Belastungsproben als Sieger hervor - deshalb muss ihn die türkische Regierung jedoch noch längst nicht anschaffen.

Zu dem Vertrag gehören weit mehr Faktoren, als sie der Test erbringt. So werden die Türken die Hauptkomponenten selber bauen wollen, wie es bei Großaufträgen üblich ist. Wie viel Arbeitsplätze ein solcher Auftrag sichert, ist bis auf weiteres völlig ungesichert. Allein über den Preis für die Blaupausen wird es lange und zähe Verhandlungen geben. Die Bundesregierung wird sich also fragen müssen, ob ein solch unsicheres Geschäft es wert ist, die rot-grüne Koalition vor ihre bisher stärkste Zerreißprobe zu stellen.

Gewiß ist die Türkei ein Nato-Partner. Aber die Zeiten, da sie an der Südflanke des Warschauer Pakts eine strategische Schlüsselstellung innehatte und deshalb niemand so genau hinschaute, was die türkische Armee anstellte, gehören der Vergangenheit an. Heute weiß niemand wirklich, wozu die Türkei ihre gigantische Aufrüstung braucht. Kann es sich die Bundesregierung in ihrer jetzigen Verfassung wirklich leisten, wegen eines unsicheren Geschäfts mit einem umstrittenen Geschäftspartner den Koalitionspartner bis an den Rand der Selbstverleugnung zu treiben? Es ist Zeit, dass die Koalition das Für und Wider nochmals intern gründlich überdenkt, bevor das Thema zur Prestigefrage für den Kanzler und zur Existenzfrage für die Grünen eskaliert.

Hans-Anton Papendieck, Hannover