sz, 25.10.99

Meinungsseite
Panzer als aktive Sterbehilfe für die Grünen

Menschenrechte sind teilbar: in die Zeit vor und während der Regierungsbeteiligung

Von Heribert Prantl

Der humanitäre Aspekt der deutschen Panzerlieferungen in die Türkei hat bislang noch nicht ausreichend Beachtung gefunden: Es handelt sich dabei um einen Akt der aktiven Sterbehilfe, die den Grünen zuteil wird. In den Lexika, die dereinst über das kurze und aufregende politische Leben der Grünen berichten werden, wird der Panzer-Beschluß der Regierung Schröder als tätiges Herbeiführen des Todes der zuletzt schon sehr siechen Partei beschrieben werden.

Ist die Koalition wirklich in einer Krise? Wenn damit gemeint ist, ob die Koalition der Panzer wegen platzen könnte, dann lautet die Antwort "Nein". Sie lautet deswegen "Nein", weil eigentlich überhaupt keine Krise vorstellbar ist, die das grüne Führungspersonal in der rot-grünen Regierung als Koalitionskrise zugeben würde. Koalitionsfragen stellen sich für die Grünen deswegen nicht, weil sie gewillt sind, sie nicht zu stellen. Dieses Rezept verspricht ein noch knapp dreijähriges Regieren; und es widerfährt den Grünen dabei scheinbar nichts Schlimmes. Was passiert ist, werden sie erst bei der Bundestagswahl merken. Das erinnert an die Geschichte vom Henker und seinem Opfer: Der hatte längst seine Tat vollbracht, also mit dem Schwert zugeschlagen, der Delinquent merkte aber noch nichts, also fragte er. Darauf der Henker: "Dann nicken Sie mal". Das Panzer-Geschäft ist für die Grünen gefährlicher als der Kosovo-Krieg. Bei der deutschen Beteiligung am Krieg konnten sich die grünen Koalitionäre immerhin auf eine Ur-Strömung der Grünen berufen: Auf den konsequenten Schutz der Menschenrechte, den Joschka Fischer mit dem Satz "Nie wieder Auschwitz" auf den Punkt brachte. Dagegen stand eine zweite grüne Ur- Strömung, der Pazifismus - der ein militärisches Eingreifen ausschloß.

Beim Panzer-Geschäft gibt es kein Ringen zwischen zwei grünen Positionen; in kaum einer anderen Frage war und ist die Programmatik der Grünen bisher so klar: Keine Waffenexporte in Staaten, in denen Menschenrechte massiv verletzt werden! Wenn Grüne jetzt mithelfen, Menschenrechte so niedrig zu hängen, daß Panzer darüber fahren können, dann bedeutet dies ihre Totalverwandlung.

Man muß sich daran erinnern, wie vehement die Grünen seinerzeit Außenminister Kinkel der Panzer-Lieferungen wegen angegriffen haben, mit welcher Empörung sie das Photo kommentierten, auf dem ein deutscher Panzer einen Kurden hinter sich herschleifte - und das Bonner Außenministerium so tat, als zeige es die humanitäre Verbringung eines umgekommenen Kurden zum Friedhof. Der rot-grüne Panzer-Beschluß diskreditiert nachträglich den grünen moralischen Rigorismus. In Kreisen Fischers wird angeblich ein "Kompromiß" angestrebt, die Waffenexportregeln nachträglich zu verschärfen, vorher aber das Panzer-Geschäft zu machen. Das klingt wie eine gehässige Erfindung.

Menschenrechte sind also doch teilbar - in die Zeit vor und in die Zeit während der Regierungsbeteiligung. Solche Metamorphosen kann nur eine Partei überleben, die darin so geübt ist wie die FDP. Die Grünen haben solche Übung nicht.