Rheinische Post online, 24.10.99

Neue Regeln für Rüstungsexport

Das Ziel: Koalitionskrach um Panzerlieferung entschärfen

Berlin (dpa). Neue Richtlinien für den deutschen Rüstungsexport sollen den rot-grünen Koalitionskrach über die Lieferung eines Testpanzers an die Türkei entschärfen. SPD-Fraktionschef Peter Struck kündigte dazu Vorschläge für die Koalitionsrunde am Montagabend an. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) warnte die Grünen vor einer Fortsetzung der öffentlichen Debatte über die Panzerlieferung.

Foto: Der Kampfpanzer Leopard II A5 bei einer Lehr- und Gefechtsvorführung.

Struck meinte jedoch, es werde wegen des Streits um Rüstungsexporte keine Koalitionskrise geben. Auch Scharping sagte, eine "Zerreißprobe für die Koalition" könne er nicht erkennen.

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) bekräftigte seine Ablehnung der Panzerlieferung an die Türkei. "Wir wollen die Türkei mittels Verbesserungen an die Europäische Union heranführen. Dazu wird man schwerlich Panzerlieferungen rechnen können", sagte Fischer dem Berliner "Tagesspiegel" (Sonntag-Ausgabe). "Die Menschenrechtslage und vor allem der bewaffnete Konflikt im Südosten bis jenseits der türkischen Grenze sollten uns dazu veranlassen, nichts zu liefern, was im Innern eingesetzt werden kann", sagte der Außenminister. Zudem erfordere das schwere Erdbeben in der Türkei mindestens 16 Milliarden Mark für den Wiederaufbau. "Da werden doch die Prioritäten nicht richtig gesetzt."

Scharping kritisierte Fischers Haltung. "Man kann nicht auf der einen Seite die Türkei als einen Nato-Partner von strategischer Bedeutung ansehen und sie in die Runde der Beitrittskandidaten der Europäischen Union aufnehmen, wenn man auf der anderen Seite mit der Türkei nicht kooperiert", sagte er der "Magdeburger Volksstimme". Ziel der Bundesregierung müsse sein, "die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung in der Türkei zu fördern". Ankara sei "ein zuverlässiger Partner und souverän".

Struck will nach Äußerungen in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" vom Freitagabend vorschlagen, eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der neuen Exportrichtlinien um Fachleute aus den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen zu erweitern. Dies war von den Grünen gefordert worden. Sie wollen die frühere Einstimmigkeit bei Entscheidungen des Bundessicherheitsrates wieder einführen und die Koalitionsvereinbarung zu Rüstungsexporten umsetzen. Danach sollen Rüstungsexporte restriktiv gehandhabt und die Menschenrechtslage als zusätzliches Entscheidungskriterium eingeführt werden.

Beer setzt auf Kompromiss

Die-Grünen-Verteidigungsexpertin Angelika Beer äußerte sich im NDR zuversichtlich, dass die rot-grüne Koalition sich bei der Überarbeitung der Exportrichtlinien auf einen Kompromiss einigen werde. Beer bekräftigte, es werde keine Unterschriftensammlung ihrer Partei gegen die Lieferung des Testpanzers geben.

Mit Blick auf die Menschenrechtslage in der Türkei hatten Fischer und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) die Lieferung eines deutschen Testpanzers vom Typ Leopard II Mitte vergangener Woche im Bundessicherheitsrat abgelehnt. Sie wurden von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Verteidigungsminister Scharping und Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) überstimmt. Die Türkei will in etwa zwei Jahren rund 1 000 Panzer bestellen und testet dazu Modelle aus mehreren Staaten.

Das Auswärtige Amt wollte sich nicht zu Berichten äußern, wonach eine Reihe von Exportanträgen vor allem durch Minister Fischer verzögert worden seien. Für das Verteidigungsministerium sind nach einem Bericht der "Berliner Morgenpost" Fischer und die Grünen Störer möglicher Rüstungsgeschäfte. Die Zeitung berief sich auf ein internes Papier aus Scharpings Ressort, wonach 22 Exportanträge unter anderem aus der Türkei, Israel, Saudi-Arabien, Südkorea, den Arabischen Emiraten, Rumänien, Ägypten und Chile verzögert oder verschleppt worden seien. Ein Sprecher des Ministeriums sagte dazu am Samstag auf Anfrage, er kenne ein solches Papier nicht.

Der ehemalige Bundesverteidigungsminister und CDU-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, Volker Rühe, sprach sich für die Lieferung von Panzern an die Türkei aus. Man müsse der Regierung in Ankara auf dem Weg in die Europäische Union auch Vertrauen entgegenbringen, sagte Rühe am Samstag im Sender "Radio Schleswig-Holstein". Schließlich habe sich der ehemalige Außenminister Klaus Klinkel (FDP) schriftlich von der Türkei zusichern lassen, dass alle Waffenlieferungen ausschließlich für Nato-Zwecke eingesetzt würden.